Neue Chance für Studienabbrecher - Aus dem Hörsaal an die Werkbank
Würzburg (dpa/tmn) - Im Studium gescheitert und stattdessen eine Ausbildung machen? Für viele Fast-Akademiker klingt das nicht nach Erfolgsgeschichte. Es kann aber eine werden. Ein Projekt der Handwerkskammer Unterfranken will aus ihnen Führungskräfte machen.
Dominik Blöchl hat schon zwei Studiengänge ausprobiert. Erst schrieb er sich für Bauingenieurwesen, später für Soziale Arbeit ein. Beides machte ihn nicht glücklich. Da kam ihm ein neues Angebot der unterfränkischen Handwerkskammer gerade recht. In einem Pilotprojekt bieten Betriebe der Region Studienabbrechern aus ganz Deutschland eine verkürzte Lehre plus Weiterbildung zum Meister an. Die Fast-Akademiker können damit den Karriere-Turbo anwerfen: Aus ihnen sollen im Schnellverfahren dringend gesuchte Führungskräfte werden.
Die Idee hat die Handwerkskammer Unterfranken in Kooperation mit den Hochschulen und Betrieben der Region umgesetzt. Auslöser dafür war ein Gespräch des Hauptgeschäftsführers Rolf Lauer mit dem Präsidenten der Uni Würzburg über Studenten, die hinwerfen: „Es war schon ein Schock, zu sehen, wie viele ihr Studium abbrechen. Wie viel Geld wurde bis dahin umsonst investiert?“, fragte sich Lauer. Da mache es doch Sinn, den Kandidaten eine Alternative anzubieten.
Zumal es im Handwerk gute Karrierechancen gibt: Die Betriebe suchen händeringend Nachwuchs, vor allem Fach- und Führungskräfte. „Und diese Zielgruppe blieb vom Handwerk bislang weitgehend unbeachtet“, sagt Lauer. Etwa ein Drittel der Chefs im Handwerk ist älter als 50 Jahre. Allein in Unterfranken stünden damit in 6000 Betrieben in den nächsten 15 Jahren Führungswechsel an - eine Chance für die Studienabbrecher: „Wir bieten diesen hoch qualifizierten Leuten, die sich beruflich in einer Sackgasse befinden, eine Karrieremöglichkeit im Handwerk.“
Im Herbst 2012 haben neun Studienabbrecher diese Möglichkeit ergriffen und den Hörsaal gegen Werkbank und Klassenzimmer getauscht. Für zunächst zwei Lehrberufe gab es das Angebot - Schreiner und Hörgeräteakustiker. Im nächsten Lehrjahr sollen Elektroniker, Metallbauer und ähnliche technische Berufe dazukommen. Das bayerische Arbeitsministerium und die Europäische Union fördern das Projekt bis Sommer 2015 mit insgesamt 610 000 Euro.
Und so sitzt Blöchl mit sechs weiteren ehemaligen Studenten vor den Aufgaben für Schreiner-Lehrlinge. Sie werden nach nur zwei Jahren ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Außerdem können sie ein Jahr später bereits die Meister-Ausbildung in der Tasche haben. „Es ist ein maßgeschneiderter Lehrgang. Die jungen Leute sind intelligent und begreifen Zusammenhänge sehr schnell. Deshalb können wir alles fix durchziehen“, sagt Lauer.
Für Blöchl und seine Mitlehrlinge bedeutet das aber auch: Sie müssen einen engen Stundenplan bis in den Abend hinein, die normale Lehrlings-Arbeit im Betrieb und Spezialkurse am Wochenende unter einen Hut bekommen. „Wir haben oft eine Sechs-Tage-Woche. Das ist schon anstrengend. Aber es ist schaffbar. Man muss eben die Motivation haben“, sagt der 29-Jährige dazu.
Die Initiative „Karriereprogramm Handwerk - Studienanschluss statt Studienabbruch“ findet viel Interesse. Auch die Nachfrage von den Unis und Hochschulen ist da. „Schon jetzt liegen uns mehr als 20 Anfragen von Noch-Studenten vor.“ Einer der Betriebe in Unterfranken, die sich auf das Pilotprojekt eingelassen haben, ist der Möbelhersteller „Möbel und Raum“ aus Schondra.
Der Firmeninhaber Thomas Schuhmann sucht qualifizierte Fachkräfte für die obere Führungsebene. „Da wir alle Nachwuchsprobleme haben, müssen wir nach jedem Strohhalm greifen. Und auf diesem Weg haben wir in den Handwerkskreisen Leute mit anderen Voraussetzungen - von der Intelligenz, der Auffassungsgabe und dem Auftreten her“, sagt er.
„Dieses Projekt war längst fällig. Ich bin überzeugt davon, dass das auch bundesweit Schule machen wird.“