Neues Medizinstudium in Oldenburg: Einmalig, aber umstritten

Oldenburg (dpa) - Bachelor und Master in Medizin - in Deutschland undenkbar. Außer man studiert in Oldenburg. Dort startet bald ein neuer deutsch-niederländischer Studiengang, wo angehende Mediziner neben dem Staatsexamen auch die europäischen Abschlüsse machen können.

Für Furore sorgt der neue Medizinstudiengang in Oldenburg schon länger - dabei haben die ersten Studenten noch gar nicht angefangen. An der European Medical School werden sie neben dem Staatsexamen auch einen Bachelor und Master erwerben können. Das ist bundesweit einmalig, bei Ärzten aber heftig umstritten.

Doch inzwischen haben sich die Wogen geglättet. Das Konzept, das die Oldenburger gemeinsam mit der Universität im niederländischen Groningen entwickelt haben, steht. Im Oktober soll es losgehen. Dann werden in Oldenburg 40 angehende Mediziner starten. Möglichst viel Praxis statt grauer Theorie wird von Anfang an auf ihrem Lehrplan stehen.

„Das ganze Curriculum ist sehr stark am Patienten orientiert“, sagt der Gründungsdekan Eckhart Hahn. Während viele Medizinstudenten erst nach langer theoretischer Ausbildung mit Patienten arbeiten dürfen, sollen die Oldenburger schon im ersten Semester Praktika absolvieren. Ein Schwerpunkt des Studiums liegt auf der Allgemeinmedizin. Deshalb soll der Nachwuchs sein Handwerk nicht nur im Krankenhaus, sondern auch in Hausarztpraxen lernen.

„Das ist genau das, woran es bei der medizinischen Versorgung in Deutschland fehlt“, erläutert Universitätspräsidentin Babette Simon. Vor allem auf dem Land gibt es zu wenig Hausärzte. Wegen des demografischen Wandels wird sich das Problem in den nächsten Jahren weiter verschärfen. In Niedersachsen waren 2009 bereits mehr als 60 Prozent der Hausärzte über 50 Jahre alt, wie der aktuelle Ärzteatlas des Wissenschaftlichen Instituts der Krankenkasse AOK zeigt.

Gerade im Nordwesten müssen Patienten weite Wege in Kauf nehmen. Denn im Umkreis von 150 Kilometern um Oldenburg gibt es keine Universitätsklinik. Die European Medical School soll diese Lücke schließen. „Eine in der Region verankerte medizinische Ausbildung erhöht die Chance, dass die Absolventen als Ärzte im Nordwesten verbleiben“, meint Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU). Deshalb fördert das Land den neuen Studiengang von 2012 bis 2015 mit rund 49 Millionen Euro.

Am Ende des sechsjährigen Studiums steht das Staatsexamen. Mindestens ein Jahr ihrer Ausbildung müssen die Oldenburger Studenten in Groningen verbringen, ob im Block oder geteilt bleibt ihnen überlassen. Dort können einige von ihnen außerdem einen Bachelor- oder Master-Abschluss bekommen. Das Wort „zusätzlich“ betont Unipräsidentin Simon dabei deutlich. Denn um die beiden europäischen Abschlüsse hat es in der Vergangenheit viel Ärger gegeben.

Die Bachelor-Gegner in Deutschland befürchten, dass ein „Mediziner light“ die Qualitätsstandards verwässert. Die Bundesärztekammer, die lange Front gegen das Oldenburger Modell machte, sieht dieses mittlerweile jedoch differenzierter - vor allem seitdem feststeht, dass die Uni das Staatsexamen nicht ersetzen will. „In Zeiten des Ärztemangels freuen wir uns über jede neue medizinische Fakultät“, sagt Vizepräsidentin Martina Wenker. Als eine Stärke des Studiengangs sieht sie die enge Zusammenarbeit mit den Allgemeinmedizinern in der Region.

Doch ausgerechnet deren Verband ist weiter skeptisch. Dass die deutschen Studenten über den Umweg Groningen Bachelor- und Master-Abschlüsse machen können, stößt dem Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, sauer auf. „Ich halte das für einen Irrweg. Was bringt das für einen Gewinn?“ Die medizinische Ausbildung wird der Studiengang seiner Ansicht nach nicht verbessern. Auch den Ärztemangel werde er im Nordwesten nicht beheben können. Denn die Erfahrungen zeigten: „Es ist nicht unbedingt so, dass sich Ärzte dort niederlassen, wo sie studiert haben.“

Wer am Ende recht behält, wird sich erst in einigen Jahren zeigen. Ein erster Praxistest steht der European Medical School jedoch schon an diesem Samstag (21.) bevor: Dann können sich Interessierte an der Uni über das neue Konzept informieren.