Rütteln am Elfenbeinturm - Der lange Weg zur Professorin
Erlangen (dpa/tmn) - An der Spitze eines Lehrstuhls steht immer häufiger eine Frau. Trotzdem: Bislang sind Professorinnen in der Minderheit. Wer sich für eine Karriere in der Wissenschaft entscheidet, sollte Fördermöglichkeiten für Frauen in Anspruch nehmen.
Um Prof. für Neuere deutsche Literaturwissenschaft zu werden, brauchte Sigrid Nieberle Durchhaltevermögen. Bis sie mit 40 Jahren ihren Ruf an die Universität Erlangen-Nürnberg bekam, war es ein langer Weg - und einer mit vielen Unsicherheiten. „Bevor ich Prof. wurde, habe ich in befristeten Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet. Ich habe keine Kinder - und viele meiner Kolleginnen auch nicht“, sagt die heute 46-Jährige.
Professorinnen wie Nieberle sind immer noch die Ausnahme. Zwar ist die Zahl der Lehrstuhlinhaberinnen in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. 2012 waren es rund 8900 - 2002 nur rund 4500. Das geht aus Erhebungen des Statistischen Bundesamts hervor. Trotzdem lag der Frauenteil 2012 im Durchschnitt nur bei 20 Prozent. In den Ingenieurwissenschaften ist nur jeder zehnte Lehrstuhl (10 Prozent) mit einer Frau besetzt.
Dass nur verhältnismäßig wenige Frauen Prof. werden, liegt nach Meinung von Jutta Dalhoff an den Strukturen im Wissenschaftssystem. Sie leitet das Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung (CEWS). Unterhalb der Professur gibt es kaum unbefristete Stellen. Gleichzeitig entscheidet sich häufig erst in einem Alter von 40 Jahren, ob Nachwuchswissenschaftler einen Ruf an die Hochschule erhalten. Vielen jungen Frauen ist diese Karriereperspektive zu unsicher.
Hinzu kommt, dass längere Auszeiten vor der Berufung ohne Karriereeinbußen kaum möglich sind. Zu viele Nachwuchsforscher konkurrieren um die wenigen Stellen. Wollen Frauen eine Familie gründen, ist das ebenfalls bei vielen zwischen 25 bis 40 Jahren ein Thema. Viele wissen nicht, wie sie Karriere und Familie miteinander vereinbaren können.
Die Politik hat das Problem erkannt. Um die Gleichstellung von Männern und Frauen im Wissenschaftssystem voranzubringen, gibt es seit mehreren Jahren das Professorinnenprogramm der Bundesregierung. Hochschulen können nun Fördermittel erhalten, wenn sie eine Frau als Prof. berufen.
Daneben haben Universitäten zunehmend Mentoring- und Nachwuchsförderprogramme speziell für Wissenschaftlerinnen aufgelegt. „Diese Angebote sollten angehende Professorinnen in Anspruch nehmen“, empfiehlt Dorothea Jansen. Sie leitet das hochschulübergreifende Programm Profil - Professionalisierung für Frauen in Forschung und Lehre.
Solche Angebote bieten die Chance, Mentoren kennenzulernen. Außerdem gewinnen Frauen so Informationen darüber, wie Berufungsverfahren ablaufen. Sie können zum Beispiel in Erfahrung bringen, worauf die Auswahlkommissionen besonders achten. Weiter gebe es Berufungstrainings sowie Tipps zu den informellen Regeln im Wissenschaftssystem.
Gibt es an der Hochschule kein entsprechendes Programm, sollten weibliche Nachwuchsforscher selbst das Gespräch mit dem Prof. suchen, rät Jansen. Wie vernetze ich mich in der Wissenschaftsgemeinschaft? Welche Auslandsaufenthalte sollte ich anstreben? Zu welchen Tagungen und Konferenzen sollte ich gehen? Die Professoren könnten Antworten auf diese Fragen geben.
Weiter bemühen Frauen am besten, so viel wie möglich zu netzwerken. Um sich innerhalb der Wissenschaftsgemeinde zu positionieren, sei es zum Beispiel unumgänglich, die eigene Forschung immer wieder auf Tagungen vorzustellen, sagt Jansen.
Wichtig sei, nicht darauf zu warten, entdeckt oder von jemandem gefördert zu werden. Das passiere oft nicht, warnt Prof. Nieberle. Stattdessen müssten Nachwuchsforscherinnen selbst Fördermöglichkeiten für sich entdecken. Klug ist auch, sich an der Hochschulpolitik zu beteiligen und in Gremien wie dem Asta mitzumachen. Auch das gewähre Einblicke in die Funktionsweise des Wissenschaftsbetriebs.
Damit in Zukunft mehr Frauen den Weg zur Prof. einschlagen, muss sich in den Augen von Sigrid Nieberle noch einiges tun. Zuweilen bekommt Nieberle Post, die an „Herrn Prof. Nieberle“ adressiert ist. Die 46-Jährige kann dann zwar darüber schmunzeln. „Trotzdem zeigt das ja, dass der Prof. in den Köpfen vieler Menschen noch immer männlich ist“, sagt sie.