Urteil: Medizinstudienplatz-Vergabe verfassungswidrig

Gelsenkirchen (dpa) - Mehr als sechs Jahre Wartezeit auf einen Medizin-Studienplatz sind zu viel. Das hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen befunden und der zuständigen Vergabestelle Anweisungen erteilt.

Vier Altbewerber dürfen jetzt studieren, vorläufig zumindest.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat die Studienplatzvergabe in Medizin mit jahrelangen Wartezeiten als teileweise verfassungswidrig eingestuft. Das Gericht wies die Vergabestelle in Dortmund an, vier Bewerbern Plätze zu geben. Sie hatten zum Wintersemester 2011/12 keinen Studienplatz bekommen, obwohl sie bereits seit sechs Jahren auf eine Zulassung für ein Studium der Human- oder Tiermedizin warten. Die 6. Kammer sah vor dem Hintergrund entsprechender Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Numerus Clausus aus den siebziger Jahren die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen überschritten. „So wie es jetzt ist, ist es nicht gut“, sagte Gerichtssprecher Karsten Herfort am Donnerstag (29. September) in Gelsenkirchen.

Die Stiftung für Hochschulzulassung als Nachfolgerin der ZVS kündigte Berufung gegen die einstweilige Anordnung an. Die Stiftung, die für die Zulassung in vier medizinischen Fächern zuständig ist, führe nur aus, was der Gesetzgeber festgelegt habe, sagte Sprecher Bernhard Schweer. Die Wartezeiten hätten sich seit Jahren weiter erhöht. Auf 44 053 Bewerber in der Humanmedizin kommen derzeit 8753 Studienplätze. Vor zehn Jahren waren es knapp 20 000 Bewerber bei 8120 Plätzen.

Die Stiftung wählt 20 Prozent nach Note aus. Abi-Schnitte von 1 bis 1,1 wurden in der Humanmedizin direkt genommen. 20 Prozent kamen über die Wartequote rein. Alle Bewerber mit 13 und mehr Semestern Wartezeit wurden genommen, bei 12 Semestern kamen Bewerber mit einem Abi-Schnitt von 2,7 und besser zum Zuge. In der Tiermedizin gab es ab 3,3 und besser eine Zusage. In der Zahnmedizin lag die Wartezeit bei zehn Semestern. Wer nicht über Note oder Wartezeit einen Platz bekommt, wird von der Stiftung an jeweils sechs Hochschulen weitergeleitet, die sich noch selbst Kandidaten auswählen können.

Aus Sicht des Verwaltungsgerichts muss jetzt abgewartet werden, wie das OVG die Sache sieht. Dann kommt auch noch die Entscheidung im Hauptsacheverfahren. Das dürfte im Sinne der Kläger wichtig sein.

Der Anwalt der Kläger sieht bereits das Ende des Wartezeitsystems: „Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beseitigt das geltende Hochschulstart-System, dass zu jahrelangen Wartezeiten führt und Zehntausende Abiturienten immer wieder aufs neue vertröstet“, erklärte Anwalt Dirk Naumann in Hamburg und sieht die Entscheidung als „neuen Meilenstein des Hochschulrechts“.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ist bundesweit als einziges Gericht für alle Verfahren gegen die in Dortmund ansässige Stiftung für Hochschulzulassung zuständig. Dieser Beschluss soll in Kürze in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Nordrhein-Westfalen unter http://www.nrwe.de veröffentlicht werden. (Aktenzeichen: 6 L 941/11; 6 L 929/11; 6 L 940/11 und 6 L 942/11).