Wissenschaftler sammeln online für die Forschung
Berlin/Ilmenau (dpa) - Schluss mit seitenlangen Förderanträgen: Auf einem neuen Online-Portal können Wissenschaftler private Geldgeber für kleinere Forschungsvorhaben suchen. Erste Projekte sind bereits erfolgreich.
„Wenn in Afrika ein Mann stirbt, geht eine Bibliothek in Flammen auf“: Vielleicht sind es Sätze wie dieser, mit denen Anne Schelhorn den Grundstein für ihren Erfolg legte. In einem kurzen Video auf einer Online-Plattform für Schwarmfinanzierung schilderte die Doktorandin ihr Forschungsinteresse: die mündlich überlieferte Literatur Afrikas. Sie bat die Nutzer um Unterstützung für eine sechsmonatige Recherche im Senegal. Innerhalb von drei Monaten spendeten 36 Unterstützer kleinere Beträge - insgesamt mehr als 5000 Euro.
Als einer der ersten deutschen Wissenschaftler überhaupt hatte sich Schelhorn im November 2012 auf die neugegründete Plattform Sciencestarter.de gewagt. „In meinem Bereich gibt es nicht viele Fördermöglichkeiten, obwohl der Bedarf an Forschung immens ist“, sagt sie. Nachdem sich das sogenannte Crowdfunding etwa in der Kreativbranche bewährt hat, ist Sciencestarter nach eigenen Angaben das erste Portal in Europa nur für wissenschaftliche Projekte.
Englischsprachige Vorbilder gibt es mehrere, etwa Petridish.org oder Sciflies.org (eng.). Die Anzahl erfolgreicher Projekte liegt auch dort in überschaubarem Rahmen - sie sind nicht vergleichbar mit Kreativportalen wie Kickstarter.com. Dort wurden seit 2009 mehr als 40 000 Projekte erfolgreich finanziert - vier waren es seit Ende November auf Sciencestarter, ermöglicht durch mehr als 350 Menschen. Die bislang größte Summe, mehr als 14 000 Euro, kam für ein Projekt zur energetischen Nutzung von Pferdemist zusammen.
„Dafür, dass Sciencestarter brandneu ist, ist die Zahl der erfolgreichen Projekte schon sehr hoch“, sagt Andreas Will, Professor für Medienmanagement an der TU Ilmenau. Er sieht Potenzial in der Plattform, warnt aber vor dem relativ großen Zeitaufwand, der mit der Darstellung und Betreuung des Projekts verbunden sei: Ein bis zwei Stunden täglich müssten Wissenschaftler einplanen, wenn sie ihr Projekt anschaulich gestalten und mit Unterstützern kommunizieren wollten. Das habe eine Untersuchung seines Instituts gezeigt. „Für den Erfolg beim Crowdfunding - gerade bei wissenschaftlichen Projekten - ist die Anschaulichkeit entscheidend.“ Wirtschaftlich sei diese Art der Finanzierung daher vor allem für Nachwuchswissenschaftler.
Gerade von Doktoranden und Postdocs verzeichne die Plattform in den vergangenen Wochen neue Aktivitäten, sagt Sciencestarter-Sprecher Thorsten Witt. Einige hätten Erfahrung mit sogenannten Science-Slams, bei denen Forschungsvorhaben mit kurzen, laienverständlichen Vorträgen präsentiert würden.
Dass es ohne einen gewissen Aufwand nicht geht, zeigt auch Anne Schelhorns Projekt: Sie bloggt exklusiv für ihre Unterstützer, außerdem verschickt sie Aufnahmen von Performances mündlicher Literatur oder Bücher afrikanischer Autoren. „Seit dem erfolgreichen Abschluss des Projekts ist das Interesse sogar noch gestiegen“, sagt die Doktorandin.
Auf einen ähnlichen Coup hoffen nun die beiden Berliner Wissenschaftler Christopher Kyba und Annette Krop-Benesch. Sie wollen Förderer an der Forschung über Lichtverschmutzung in Städten teilhaben lassen: Bei ihrem Sciencestarter-Projekt verlosen sie unter den Spendern Geräte, mit denen die Helligkeit des Nachthimmels gemessen werden kann. Die Daten sollen in die Forschung einfließen.
Getragen wird Sciencestarter von der Initiative „Wissenschaft im Dialog“, die unter anderem vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. „Die Plattform eignet sich vor allem für Projekte, bei denen kleinere Summen benötigt werden, so dass sich ein umfangreicher Förderantrag nicht lohnen würde“, sagt Thorsten Witt. Viele Projekte seien inhaltlich zu speziell für Förderprogramme. Im Netz hingegen findet sich Unterstützung für Exotisches: sei es für die Erforschung brasilianischer Ameisenbären oder mexikanischer Höhlenfische.