Zeit für Kinder - Konzerne bemühen sich um Familienfreundlichkeit

Stuttgart (dpa) - Zeit mit der Familie gilt in Deutschland immer noch als Karrierebremse. Einige Konzerne versuchen, dies mit Hilfe von flexiblen Arbeitsmodellen zu ändern. Doch der Wandel in den Köpfen steht noch aus.

Kinder großziehen und gleichzeitig Karriere machen? Für die meisten Berufstätigen in Deutschland ist das immer noch ein Widerspruch. Großkonzerne versuchen zwar, mit gezielten Programmen gegenzusteuern. Doch damit die greifen, braucht es einen Kulturwandel, meint Martin Sonnenschein von der Unternehmensberatung A.T. Kearney. „Wir müssen das Paradigma umdrehen“, sagt er. „Elternschaft ist eine Karrierechance.“

Der schwäbische Technikkonzern Bosch versucht nun, genau das in neuen Leitlinien umzusetzen. Bosch-Mitarbeiter können sich seit Ende 2012 Zeit mit der Familie als Karrierebaustein anrechnen lassen, um die nächste Hierarchiestufe zu erreichen. Auf diese Weise wird Elternzeit zum Beispiel Auslandsaufenthalten von Managern gleichgesetzt. Bosch wolle „familiäre Verpflichtungen genauso wertschätzen wie das berufliche Engagement“, sagte Bosch-Arbeitsdirektor Christoph Kübel.

Der Einsatz für mehr Familienfreundlichkeit liegt im Trend. Die meisten Konzerne in Deutschland haben inzwischen Programme aufgelegt, um Mitarbeiter und ihre Familien zu unterstützen. Angebote für Kinderbetreuung werden ausgebaut, flexible Arbeitszeitmodelle gefördert.

„Top-Job und Kinder zu vereinbaren ist möglich“, sagt etwa Telekom-Personalvorstand Marion Schick. Die Deutsche Telekom bietet ihren Mitarbeitern unter anderem an, in der Elternzeit weiter an Meetings und Konferenzen teilzunehmen, um den Kontakt nicht zu verlieren. Siemens unterstützt Mitarbeiter, die Angehörige pflegen, mit einer eigenen Hotline. Konzerne wie Bilfinger oder Volkswagen haben sich Familienfreundlichkeit ebenfalls zum Unternehmensziel gesetzt.

Sind dies Ausnahmen oder haben Unternehmen die Bedeutung des Themas flächendeckend erkannt? Laut einer Umfrage von A.T. Kearney vom September 2012 glaubt fast jede dritte Frau, dass die Entscheidung für Familie zulasten der Karriere geht. Nur 13 Prozent der befragten Männer mit Kindern fühlen sich von ihren Arbeitgebern unterstützt, Zeit mit der Familie zu verbringen. Befragt wurden knapp 1800 Mitarbeiter in mehr als 400 Unternehmen.

Die Programme der Firmen seien zwar Zeichen eines Umdenkens, sagt Unternehmensberater Sonnenschein. Doch die meisten Initiativen würden noch nicht ausreichend genutzt. „In der Summe könnten die deutschen Konzerne in punkto familienfreundliche Unternehmenskultur deutlich mehr tun“, sagt er. Die Firmen hätten auch selbst etwas davon: Eine familienfreundliche Unternehmenskultur fördert der Umfrage zufolge die Loyalität der Mitarbeiter.

Neben Infrastruktur und Geld sei vor allem Zeit ein Faktor für eine erfolgreiche Familienpolitik, findet Sonnenschein. „Da kommen die Unternehmen ins Spiel.“