Dabei statt mittendrin: Väter sind im Kreißsaal nur Beobachter
Ulm (dpa/tmn) - Bei der Geburt dabei zu sein, ist heute für viele Männer selbstverständlich. Dennoch bleiben Fragen und die Angst, im entscheidenden Moment nichts tun zu können. Das müssen die werdenden Väter aber auch nicht.
Anwesend sein und der Frau beistehen genügt.
Im entscheidenden Moment bleibt nur die Beobachterrolle, gemischt mit einem Gefühl der Hilflosigkeit. Viel mehr bleibt Männern nicht, die bei der Geburt ihres Kindes im Kreißsaal mit dabei sind. Die gute Nachricht dabei: Mehr müssen und sollen sie auch gar nicht tun. Dabeisein, sich mit guten Ratschlägen zurückhalten und nicht die ganze Zeit mit der Kamera draufhalten - wenn Männer diese drei Dinge befolgen, haben sie schon viel richtig gemacht, sagen Hebammen und Frauenärzte. Trotzdem bleiben viele Fragen ungeklärt, bevor es mit der Geburt losgeht.
Dass Männer bei der Geburt dabei sind, war nicht immer selbstverständlich: „Das ist erst seit den 80er Jahren so“, sagt Edith Wolber, Sprecherin des Deutschen Hebammenverbands. Eine Ausnahme seien noch heute Paare aus anderen Kulturen, wie zum Beispiel der Türkei. In westlichen Kulturen sei es im Freundes- und Familienkreis dagegen Konsens, dass ein guter Vater in jedem Fall im Kreißsaal anwesend ist. „Da herrscht manchmal eine übergroße Erwartungshaltung.“
Überwiege bei Männern mit Blick auf die Stunden im Kreißsaal vor allem das Gefühl der Hilflosigkeit, sei das ein Zeichen für mangelnde Vorbereitung. Wolber empfiehlt Männern deshalb, spezielle Kurse zu besuchen - am besten ohne die Partnerin. Eberhard Schäfer bereitet seit fünf Jahren werdende Väter in einem dreistündigen Kurs vor. „Mehr als 90 Prozent der Männer begleiten ihre Frauen in den Kreißsaal. Aber viele fragen sich: 'Soll ich wirklich, was mache ich da?'“, sagt Schäfer. In den Kursen sind Männer unter sich. In diesem Umfeld trauten sie sich, ganz andere Themen anzusprechen, als im Beisein der Partnerin.
Die erste Botschaft, die Schäfer an den Mann bringt, lautet: „Ihr müsst keine Tricks und Kniffe kennen.“ Am wichtigsten sei, einfach für die Frau da zu sein und keine Hektik zu verbreiten. Klingt banal, ist für viele Männer aber eine Überraschung: „Die denken: 'Da kommt ein neuer Job auf mich zu, und ich habe keine Zeit, mich einzuarbeiten'.“ Von dem Gedanken, Einfluss auf das Geschehen nehmen zu können, müssten sie sich aber verabschieden. Edith Wolber hält diese Zuschauerposition für eine wichtige Erfahrung: „Da lernen sie etwas, dass sie auch später als Vater merken werden: Mit Kindern ist man nicht immer tatkräftig.“
Neben der Unterstützerrolle erfüllt der Mann noch eine weitere wichtige Funktion: die des Mittlers zwischen Hebamme, Arzt und seiner Frau. „Die Kommunikation ist das A und O. Es ist sehr bedauerlich, wenn jemand in der Ecke sitzt und gar nichts sagt“, sagt Achim Wöckel, Oberarzt der Universitätsfrauenklinik Ulm. Er hat etwa 2000 Geburten begleitet. Männer sollten der Hebamme gegenüber ruhig deutlich machen: „Sagen Sie mir, was ich machen soll“, rät der Gynäkologe.
Trotz aller Vorbereitung: Begleiten Männer ihre Frauen nur aus Pflichtgefühl in den Kreißsaal, ist damit niemandem geholfen. „Sie sollten darin bestärkt werden, auch Nein sagen zu dürfen“, findet Wöckel. Seiner Erfahrung nach könne es sogar die Komplikationsquote steigern, wenn Männer entgegen ihrem Willen bei der Geburt dabei sind. Eine Lösung dabei sei, sich Unterstützung zu holen: „Vielleicht kann die Schwester der Gebärenden den Vater in kritischen Momenten ablösen.“
Ganz anders sieht das Eberhard Schäfer vom Väterzentrum Berlin: „Ich rate davon ab, weitere Personen mitzunehmen. Das bringt Unruhe und neue Konflikte.“