Familie auf Teilzeit: Rituale helfen bei räumlicher Trennung

Köln (dpa/tmn) — Mama arbeitet am Wohnort, Papa Hunderte von Kilometern entfernt: Meist ist es der Job, der eine Familie räumlich auseinanderreißt. Rituale sind für solche Teilzeitfamilien besonders wichtig.

Sie erleichtern den Alltag.

Die Tochter möchte schwimmen gehen, der kleine Sohn liegt krank im Bett, und die Heizung ist auch noch ausgefallen. Solche Situationen lassen Eltern rotieren. Noch problematischer wird es, wenn ein Elternteil aus beruflichen Gründen in einer anderen Stadt wohnt und nur am Wochenende zu Hause ist. Manchmal lässt es sich nicht verhindern, dass die Familie die meiste Zeit getrennt voneinander ist. Dann hilft ein Plan, mit dem sich der Alltag und das Wochenende durchstrukturieren lassen. Egal, wie er im Detail aussieht: Wichtig ist für die Familie die Frage, wie sie die Situation gemeinsam meistern will.

Der Plan sollte die Wünsche jedes Familienmitglieds aufgreifen und Rituale vorsehen. „Kinder brauchen den täglichen Kontakt, um Sicherheit zu haben“, sagt Michaela Herchenhan von der Deutschen Gesellschaft für systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) in Köln. Besonders bei Kindern bis etwa zehn Jahre sei das wichtig. Eltern können ihnen zum Beispiel jeden Morgen am Telefon einen schönen Tag und abends eine gute Nacht wünschen. Und die Kinder können dem fehlenden Elternteil erzählen, was sie tagsüber erlebt haben.

„Werden Kinder nach dem Telefonieren traurig, ist das okay“, sagt Karin Jacob vom SOS-Familienzentrum Berlin. Es sei wichtig für sie zu lernen, mit solchen Gefühlen umzugehen. Eltern sollten mit ihnen aber gemeinsam überlegen, was das Kind trösten kann. „Das können Übergangsobjekte sein, zum Beispiel ein Bild oder ein T-Shirt vom fehlenden Elternteil.“

Ist der tägliche Kontakt nicht möglich, könnten Eltern und Kinder sich darauf einigen, abends zu einer abgemachten Uhrzeit den Sternenhimmel anzugucken und aneinander zu denken, rät Familientherapeut Thomas Gerling-Nörenberg aus Münster.

Kindergartenkinder haben laut Jacob noch kein ausgeprägtes Zeitverständnis. Daher sei es bei ihnen besonders wichtig, verständlich zu erklären, wann Mama oder Papa wiederkommen. Sie könnten zum Beispiel den aktuellen Tag am Kalender durchstreichen. Außerdem verdeutlichen farbige Markierungen, wann der fehlende Elternteil wiederkommt.

Sind Sohn oder Tochter älter, sollten Eltern die Rituale verändern und entsprechend anpassen, erläutert Jacob. Den Kontakt mit älteren Kindern zu halten sei einfacher, da sie schon selbstständig SMS schreiben oder Programme wie Skype nutzen können. Am besten klären Eltern mit Jugendlichen ab, wie oft sie miteinander telefonieren, simsen oder chatten wollen. „In der Pubertät sind die Jugendliche ja nicht immer zu erreichen, aber auch hier sind feste Rituale wichtig“, sagt Herchenhan.

Nicht nur während der Woche sind feste Gewohnheiten für Kinder wichtig, sondern auch am Wochenende. Die Familie kann zum Beispiel gemeinsam einkaufen, kochen und den Tisch decken. „Kinder und Eltern sollten einmal am Tag zusammen essen“, empfiehlt Herchenhan. Währenddessen sollte der Fernseher ausgeschaltet bleiben, so dass Mutter und Vater sich auf die Kinder konzentrieren können.

Wie leicht es dem Elternteil fällt, am Wochenende wieder in den Familienmodus zu schalten, ist eine Typfrage. Während einige die Arbeitswoche leicht hinter sich lassen können, brauchen andere dafür länger. In einem solchen Fall könne derjenige vor dem Ankommen zu Hause eine Runde spazieren gehen, empfiehlt Jacob. Das sei einfacher, als die Auszeit erst im Haus zu nehmen. Denn für Kinder sei es schwer zu verstehen, wenn Mama oder Papa endlich wieder da sind, aber noch Zeit für sich brauchen.

Zeigen kleine Kinder beim Wiedersehen eine Abwehr- oder Wutreaktion, ist das laut Gerling-Nörenberg ganz normal. Eltern sollten versuchen, das Verhalten nicht persönlich zu nehmen und zu warten, bis das Kind von selbst auf sie zukommt.

Ist ein Elternteil nur am Wochenende zu Hause, besteht die Gefahr, dass er in Erziehungsfragen etwas großzügiger ist. Wichtig ist deshalb, dass Mutter und Vater eine gemeinsame Linie absprechen und konsequent bleiben, rät Jacob. Wenn ausnahmsweise etwas erlaubt wird, was unter der Woche verboten ist, sollte der andere Elternteil darüber Bescheid wissen. Sonst kann es passieren, dass Kinder die Eltern gegeneinander ausspielen.