Mit Zwillingsforschung gegen soziale Ungleichheit

Auf der Suche nach den Gründen für Glück oder Misserfolg eines Menschen.

Bielefeld. Sind persönliches Glück und beruflicher Erfolg genetisch bedingt? Oder hängt alles von den äußeren Lebensumständen ab? Mit einer der bislang größten Zwillingsstudien in Deutschland wollen Forscher aus Bielefeld und dem Saarland in den nächsten Jahren diesen Fragen auf den Grund gehen. Martin Diewald und Rainer Riemann aus Bielefeld sowie Frank Spinath aus Saarbrücken wollen dazu 4000 Zwillingspaare im Alter von heute fünf bis 31 Jahren über einen Zeitraum von zwölf Jahren intensiv begleiten.

„Eineiige Zwillinge verfügen über identische Erbanlagen. Dass das weitgehende Folgen hat, zeigen Zwillingsstudien wie die von Thomas Bouchard in Minnesota“, erklärt der Soziologe Diewald. Bouchard begann 1979 mit Untersuchungen, die verblüffende Parallelen in den Lebensläufen von getrennt aufgewachsenen eineiigen Zwillingen nachwiesen: Einige hatten im selben Alter geheiratet, sich zur selben Zeit wieder scheiden lassen, den gleichen Beruf ergriffen und sogar übereinstimmende Marotten entwickelt.

„Es spricht also viel dafür, dass bei Erfolg im persönlichen und beruflichen Leben auch die Gene eine Rolle spielen könnten“, folgert der Psychologe Riemann. Das bedeute aber nicht, dass es so etwas gebe wie ein „Scheidungs-Gen“ oder ein „Gen fürs Glücklichsein“. „Es ist unwahrscheinlich, dass solche Phänomene allein auf einzelnen Genen basieren. Realistischer ist es, dass sie aus einem komplexen Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Gene resultieren.“

Hinzu kommt der Einfluss der Umwelt, mit der die Gene in einem komplizierten Wechselspiel stehen könnten, veranschaulicht Diewald: „Wenn ein Kind eine sportliche Begabung mitbringt, dann kann es durch gezielte Förderung vielleicht einmal eine Goldmedaille gewinnen. Ein anderes Kind mit denselben sportlichen Genen, das ohne jede Motivation zur Bewegung aufwächst, bringt es hingegen nur zur Urkunde bei den Bundesjugendspielen.“

Angesichts der Fülle von Aspekten setzen die Forscher vor allem auf eines: möglichst umfangreiche Informationen über möglichst viele Probanden. Zentrale Lebensbereiche werden untersucht, schulischer und beruflicher Erfolg ebenso wie soziale Kontakte und problematische Entwicklungen wie Gewalttätigkeit, Kriminalität oder Drogenmissbrauch. Zu den Themen befragen die Wissenschaftler nicht nur die Zwillinge, sondern auch ihre Eltern, Geschwister und Partner.

Die Zwillingsforscher verbinden mit ihrer Studie ganz konkrete Ziele: „Wenn wir herausfinden, in welchem Umfang Eigenschaften genetisch vorgegeben sind und in welcher Weise sie erst später durch die Umwelt entwickelt oder ausgeprägt werden, können wir helfen, Instrumente für eine gezielte Förderung zu entwickeln und dadurch sozialer Ungleichheit entgegenwirken.“