Familie: Wenn das Kind keine Freunde hat
Eltern müssen ihrem Nachwuchs soziale Fähigkeiten vermitteln. Kleine Egoisten sind einsam.
Fürth. Stundenlang auf Wiesen toben, sich auf dem Spielplatz treffen und Geheimnisse teilen: Das macht Kindern Riesenspaß. Doch nicht jedes Kind hat Freunde, mit denen es diese Abenteuer erleben kann.
Während das Nachbarskind jeden Nachmittag Besuch bekommt, sitzt der eigene Nachwuchs alleine beim Legobauen. Niemand ruft an und fragt nach einer Verabredung.
"Das macht vielen Eltern Sorge", sagt Andreas Engel, Diplom-Psychologe bei der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung. Doch die Erwachsenen sollten sich besser zurückhalten.
Was ist überhaupt normal und was nicht? Warum Kinder sich nicht verabreden, kann viele Gründe haben: "Manche Kinder sind sich selbst genug", erklärt Jan-Uwe Rogge, Erziehungsexperte und Ratgeberautor. "Solange das Kind einen zufriedenen Eindruck macht und nicht den Wunsch nach Spielfreunden äußert, sollten Eltern sich keine Sorgen machen."
Denn in der Angst, ihr Kind könne zum Einzelgänger werden, träfen viele Eltern in Eigenregie Verabredungen: "Wenn Mama und Papa aber ständig potenzielle Freunde anschleppen, kann sich das Kind überfordert fühlen", warnt Rogge.
"Wichtig ist, die Bedürfnisse des Kindes richtig einzuschätzen", rät auch Andreas Engel. Mädchen und Jungen, die sich morgens schon im Kindergarten ausgetobt haben, wollen am Nachmittag vielleicht einfach ihre Ruhe haben oder Zeit mit den Eltern verbringen.
Von zentraler Bedeutung ist laut Engel die Frage: "Kann das Kind überhaupt freundschaftliche Beziehungen zu Gleichaltrigen aufbauen?" Wenn Kinder im Kindergarten oder in der Schule nicht in die Gemeinschaft eingebunden sind, mit den anderen nicht klar kommen und als Außenseiter gelten, sollten Eltern genau hinschauen
Manche Kinder sind schüchterne und stille Beobachter, andere wiederum große Rabauken, die ständig den Bestimmer spielen wollen: "Beides kann den Kontakt zu Gleichaltrigen erschweren", erklärt Rogge. Seine Empfehlung: "Reden Sie mit Ihrem Kind!"
Um Veränderungen zu bewirken, sei es wichtig, dass das Kind selbst die Gründe für sein Alleinsein erkennt. "Was meinst du, warum keiner anruft?", sei eine wichtige Frage. Wenn Eltern sich auf die Gedankenwelt der Kinder einlassen, können Knoten am ehesten gelöst werden.
"Es ist natürlich wichtig, den Kindern Mut zu machen", sagt Engel. Anstatt mit Vorwürfen wie "Kein Wunder, dass niemand mit dir spielen will" an das Kind zu appellieren, stärkten Eltern das Selbstbewusstsein mit Formulierungen: "Du bist so ein toller Kerl, frage doch, ob du mitspielen darfst!"
Damit Kinder bei Gleichaltrigen nicht nur bestehen, sondern von ihnen auch gemocht werden, müssen sie bestimmte soziale Fähigkeiten mitbringen: "Hier können Eltern viel dazu beitragen, dass ihre Kinder fit für Freunde sind", sagt Hauffe. Aufeinander Rücksicht nehmen, teilen können, Konflikte fair lösen, einander zuhören und Geheimnisse wahren: "Diese sozialen Fähigkeiten sind das Handwerkszeug für Freundschaften."
Wenn Mama und Papa dem Sprössling aber jeden Wunsch von den Augen ablesen und beim "Mensch-ärgere-dich-nicht"-Spiel freiwillig verlieren, nur damit es keinen Knatsch gibt, müssen sie sich nicht wundern, wenn der Nachwuchs gegenüber Gleichaltrigen Star-Allüren zeigt: "Kleine Egoisten haben es immer schwerer."
Besonders nach einem Umzug haben viele Kinder Probleme, neue Freunde zu finden. "Ein Wohnortwechsel ist eine große Herausforderung", sagt Hauffe. Bei kleineren Kindern könnten Eltern die Spielkameradensuche aktiv unterstützen: "Nutzen Sie Eltern-Kind-Gruppen oder spezielle Angebote in Sportvereinen oder Kirchen, melden Sie Ihr Kind im Kindergarten an", rät Engel.
Auch bei älteren Kindern können Eltern Hilfe leisten: "Studieren Sie gemeinsam regionale Freizeitangebote, begleiten Sie Ihr Kind, wenn es schüchtern ist", empfiehlt Hauffe. "Mit ein bisschen Mut und Rückhalt finden Kinder bald von ganz alleine Kontakte."