Geduld und Sensibilität: Tipps für Patchwork-Eltern
Fürth/Berlin (dpa/tmn) - Kommt ein neuer Partner ins Spiel, reagieren Kinder oft mit Ablehnung. Damit die Patchworkfamilie zusammen wachsen kann, braucht es viel Zeit. Und der neue Partner sollte sich gegenüber dem Kind nicht als Ersatzelternteil aufspielen.
Wenn eine Beziehung scheitert, ist das schlimm - oft noch schlimmer, wenn davon auch Kinder betroffen sind. Doch das Leben geht weiter, und irgendwann lernen Mutter oder Vater einen neuen Partner kennen, mit dem sie die Zukunft verbringen möchten. Im Leben des Kindes gibt es dann auf einmal zwei „Väter“ oder „Mütter“. Auch für den neuen Partner ist die Situation nicht einfach, wenn das Kind ihn oder sie nicht als neues Familienmitglied akzeptiert. Experten empfehlen sogenannten Patchwork-Familien daher, es mit dem Kennenlernen und Zusammenziehen sehr behutsam angehen zu lassen.
In der Erziehungsberatung häufen sich diese Probleme. Mehr als die Hälfte der Hilfesuchenden habe Trennung und Scheidung hinter sich, berichtet Andreas Engel, stellvertretender Vorsitzender der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) in Fürth. Die Hauptprobleme bei einer neuen Beziehung seien, dass der neue Partner eine „Beziehungsunsicherheit“ zum Kind hat oder umgekehrt das Kind den neuen Partner ablehnt. „Kinder behalten fast immer die Vorstellung, dass eigentlich die leiblichen Eltern zusammengehören“, erläutert der Diplom-Psychologe. „Der neue Partner wird als Störer und Eindringling gesehen.“
Der neue Partner sollte sich daher zunächst zurücknehmen, empfiehlt Christiane Papastefanou. „Sie müssen sich Zeit lassen, um eine Beziehung aufzubauen“, sagt die Familienpsychologin in Ludwigshafen. Diplomatisches Vorgehen sei dabei gefragt. Und man sollte das Kind nicht überrumpeln und überhastet zusammenziehen, warnt Carmen Thiele, Fachreferentin beim Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien (PFAD). Besser, Mutter oder Vater ermöglichten es den Kindern, den neuen Partner kennenzulernen, wenn sie noch nicht zusammenwohnten.
„Man kann Patchwork-Familien nur empfehlen, den Annäherungsprozess langsam zu gestalten, dass die Kinder eine Chance haben, ihn mitzugehen“, betont Thiele. „Männer und Frauen haben natürlich das Recht auf einen neuen Partner, wenn die alte Beziehung in die Brüche gegangen ist“, sagt sie. „Aber sie sollten versuchen, dass die Kinder den Prozess mitbestimmen.“ Dazu gehöre, die Pläne für eine gemeinsame Zukunft mit dem Kind zu besprechen, es früh „mit ins Boot zu holen“. Wenn es noch einen leiblichen Vater oder eine leibliche Mutter gibt, sollte man dem Kind die Wahl lassen, ob es lieber bei ihm oder ihr leben möchte. „Den Wunsch sollte man respektieren“, rät Thiele.
Lebt die Patchwork-Familie dann unter einem Dach, sollte es der neue Partner tunlichst vermeiden, „dass er eine Quasi-Elternrolle einnimmt“, sagt Papastefanou. Vor allem dann nicht, wenn die Kinder schon im Jugendalter sind. „Sonst muss man sich anhören: Du hast mir gar nichts zu sagen!“ Der neue Partner könne nie den leiblichen Vater oder die leibliche Mutter ersetzen, betont sie. Das stehe ihm auch nicht zu. Er könne nur den Status eines älteren Freundes oder Kumpels erlangen. Bei jüngeren Kindern hätten sie eher die Chance, eine solche Bezugsperson zu werden.
Engel empfiehlt den neuen Partnern, sich besser keine zu großen Hoffnungen zu machen, „dass sie geliebt werden“. Immer wieder hat er es in der Beratung mit Fällen zu tun, bei denen sich die neuen Partner allergrößte Mühe mit dem Kind geben, „aber keine Gegenliebe bekommen“. Das sei eine große Enttäuschung - und auch ein Risiko, dass die Patchwork-Familie nach kurzer Zeit scheitert.
In jedem Fall benötigt das Aneinandergewöhnen Zeit. Der neue Partner sollte sich auf das Tempo des Kindes einstellen, empfiehlt Papastefanou. „Bei Patchwork-Familien gibt es immer das Problem, dass zwei Systeme aufeinanderprallen, die unterschiedliche Geschichten und Rituale haben“, erläutert die Psychologin. „Es ist schwierig, das auszutarieren.“ Es gelinge nur durch großen gegenseitigen Respekt, dass sich mit der Zeit eigene gemeinsame Rituale etablieren.
Thiele hält es außerdem für wichtig, dass sich der neue Partner keine Erziehungskompetenzen anmaßt. Erziehung sei Sache des leiblichen Vaters oder der leiblichen Mutter, sagt auch Papastefanou: „Man darf nie den leiblichen Vater oder die leibliche Mutter infrage stellen oder hintergehen.“
Das heißt jedoch nicht, dass sich Kinder in Patchwork-Familien gegenüber dem neuen Partner daneben benehmen dürfen. „Natürlich muss man nicht alles hinnehmen“, sagt Papastefanou. Völlig verkehrt wäre es, wenn sich Vater oder Mutter bei Ablehnung des neuen Partners dem Willen des Kindes beugen. „Das wäre eine Vertauschung der Rollen“, sagt Thiele. Insbesondere Eingriffe in die Paarbeziehung seien tabu. „Die Paarbeziehung darf sich nicht von den Kindern auseinanderbringen lassen.“