Hörgeräte können viel und fallen kaum noch auf
Neumünster (dpa/tmn) - Hörgeräte sind meist ungeliebt, bringen für Ältere aber viel Lebensqualität. Bei der Wahl des passenden Modells hilft der Hörgeräteakustiker. Etwas Geduld gehört aber auch dazu: Bis das Gerät perfekt eingestellt ist, kann es Wochen dauern.
Mit der Schwerhörigkeit ist das so eine Sache: Ältere Menschen blenden das Thema gerne aus oder schalten auf stur, wenn ihre Angehörigen sie auf ein Hörgerät ansprechen. Partner, Kinder und Enkel wiederum könnten in die Luft gehen, wenn als Antwort auf jede zweite Frage ein „Hä? Was?“ kommt. Dabei sind moderne Hörgeräte heute technisch ausgereift, angenehm zu tragen und fallen wegen ihrer geringen Größe kaum noch auf.
Behandeln lässt sich eine Schwerhörigkeit nach Angaben von Jan Löhler vom Deutschen Berufsverband der HNO-Ärzte in Neumünster mit einem Hörgerät, einem Implantat oder mit Hilfe einer Operation. Welche Möglichkeit der HNO-Arzt in Betracht zieht, hänge von der Art der Schwerhörigkeit ab.
Sorgen Gewebeneubildungen, die den Hörnerv abquetschen, für Beeinträchtigungen, würden diese operativ entfernt. „Es wird dabei eine kleine Prothese eingesetzt, damit die Gehörknöchelchen wieder schwingen“, erklärt Löhler. Bei der normalen Abnutzungs-Schwerhörigkeit, die aufgrund von Verschleiß der äußeren Haarzellen im Innenohr früher oder später jeden Menschen trifft und die mit Abstand die häufigste Ursache für Schwerhörigkeit ist, kommen dagegen Hörgeräte zum Einsatz.
Ihr grundlegendes Funktionsprinzip ist einfach: Bei analogen Geräten nimmt ein Mikrofon Geräusche und Stimmen auf, die von einem Verstärker aufbereitet und von einem Mini-Lautsprecher im Gehörgang wiedergegeben werden, erläutert Karl-Heinz Möckel, Vizepräsident der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker. Daneben gibt es digitale Hörgeräte.
Auch der Tragekomfort ist bei modernen Hörgeräten viel besser als bei den früher üblichen klobigen Analog-Geräten, sagt HNO-Arzt Löhler. Ein weiterer Vorteil: Wegen ihrer geringen Größe fallen digitale Hörgeräte hinter dem Ohr kaum noch auf. Durch die Digitaltechnik ist es außerdem möglich, das Hörgerät feiner auf seinen Träger abzustimmen. Dazu analysiert der Hörgeräteakustiker zunächst Hörvermögen und -bedarf des Betroffenen. Denn Patienten mit einem kommunikationsintensiven Beruf stellen andere Anforderungen an ein Hörgerät als Menschen, die eher wenig Kontakt haben oder die gerne in Klassikkonzerte gehen.
Aus mehr als 500 aktuellen Hörgeräten sucht der Fachmann dann laut Möckel eines aus und passt es an den Träger an. „Das ist ein Prozess, der Wochen oder Monate dauert“, erläutert Möckel. Eine weitere Möglichkeit, Hörschäden zu behandeln, sind Implantate bestehend aus einem Empfangsteil und einem Audioprozessor. Das Empfangsteil wird dabei operativ in den Kopf eingesetzt, der Audioprozessor hinter dem Ohr getragen. Vorstellen müsse man sich das als „ein Hörgerät, das eingeschraubt ist“, erklärt HNO-Arzt Löhler bildhaft.
So sehr der technologische Fortschritt es Schwerhörigen inzwischen auch erleichtert, ein Hörgerät zu tragen: Viele können sich dennoch nicht dazu durchringen. „Ein Ding hinterm Ohr ist nicht sexy“, sagt HNO-Arzt Löhler. Eitelkeit halte gerade viele ältere Menschen davon ab. Schwerhörigkeit werde als Makel empfunden, nennt der Deutsche Schwerhörigenbund als Begründung. Schätzungen zufolge seien 30 bis 40 Prozent aller Menschen über 65 Jahre hörgeschädigt. Weniger als die Hälfte derjenigen, die ein Hörgerät benötigen, besitze auch eins.
Sture Angehörige ließen sich umstimmen, indem man an ihre Zukunft appelliert: Ein Hörgerät ermögliche oft erst wieder die Teilhabe am sozialen Leben - und es verhindere, dass Schwerhörige intellektuell verkümmern. Denn mit der Zeit gehe auch Intelligenz verloren, wenn Schwerhörige nicht mehr kommunizieren und sich aus Scham aus dem gesellschaftlichen Leben zurückziehen. Dieses Argument ziehe meistens, so Löhler: „Man packt die Leute bei der Vernunft.“