Leben ohne Alkohol: Die Straight-Edge-Bewegung

Köln/Berlin (dpa/tmn) - Nicht trinken, nicht rauchen und sich sozial engagieren: Manchen Jugendlichen erscheint das uncool, für Anhänger der Straight-Edge-Bewegung ist es ein Lebensstil. Rechtfertigen müssen sie sich dafür sicher nicht, aber vielleicht ihre Gründe erklären.

Alkohol gehörte für Thomas* lange Zeit fest zum Feiern dazu. „Ich habe oft versucht, auf Alkohol zu verzichten, was mir fast nie gelungen ist. Auf Partys habe ich immer wieder den Drang verspürt, endlich einen Rausch zu bekommen“, erzählt der heute 22-Jährige. Doch vor rund einem Jahr war Schluss damit. Seitdem trinkt Thomas gar keinen Alkohol mehr, auch auf Nikotin und andere Drogen verzichtet er. Er ist ein Straight Edger.

„Straight Edge ist eine Bewegung, die vor gut 30 Jahren innerhalb der Hardcore-Punk-Szene entstanden ist“, berichtet Gabriel Kuhn, Straight Edger und Autor zu dem Thema. Als Startpunkt gilt ein gleichnamiger Song von Ian MacKaye der Band Minor Threat, in dem er sich Drogen- und Alkoholkonsum verweigerte.

Der Verzicht auf Alkohol, Nikotin und andere Drogen habe auch gesundheitliche Gründe gehabt, sagt Kuhn. „In der Punkszene wurden damals viele Drogen genommen, was sehr selbstzerstörerisch war.“ Für Straight Edger ist die Bewegung mittlerweile aber mehr als nur der rigorose Drogenverzicht. „Es gehören auch politische und soziale Ideale dazu“, sagt der 38-jährige Kuhn. So engagierten sich viele Straight Edger für ökologische Ideen, für Tierrechte oder in der Obdachlosenhilfe.

Vom Kleidungsstil sind Straight Edger dagegen oft nicht von anderen zu unterscheiden. Bei vielen Straight Edgern ist jedoch ein schwarzes Kreuz zu sehen, auf der Kleidung, auf die Hand gemalt oder als Tätowierung. „Das entstand vor vielen Jahren, als Hardcore-Punk-Shows in Bars stattfanden, in denen junge Leute keinen Alkohol trinken durften.“ Daraufhin malten sich Jugendliche schwarze Kreuze auf den Handrücken, um klar zu signalisieren „Ich trinke keinen Alkohol“. So kamen sie doch in die Bar rein.

Thomas ist überzeugter Straight Edger. „Mich reizt daran, mein Leben unbeschadet zu genießen und nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein, etwas Dummes zu tun - jederzeit Herr der Lage zu sein.“

Allerdings kann es schwierig sein, auf einer Party auf Alkohol und Drogen zu verzichten. Diplom-Psychologin Elisabeth Raffauf aus Köln kennt das Problem: „In einer großen Runde werden die Freunde einen dazu ermuntern, doch auch mal was zu trinken oder am Joint zu ziehen. Möglicherweise werden sie eine Ablehnung auch als uncool bewerten.“ Es sei also nicht leicht, „Nein“ zu sagen.

Argumente für das eigene Verhalten könnten jedoch sein: „Es bringt mir nichts“, „Ich möchte gern noch etwas länger was vom Abend haben“, „Mir geht es ohne besser“ - das heißt erstmal von sich reden. „Also klar seinen Platz einnehmen ohne andere bekehren zu wollen“, rät Raffauf. Natürlich könne man auch eine Diskussion über die Vor- und Nachteile von Rauschmitteln führen. „Da besteht natürlich die Möglichkeit, dass man als 'Moralapostel' runter gemacht wird.“

Die Expertin betont: „Zu beiden Varianten gehört Selbstbewusstsein.“ Dabei helfe es, sich klar zu machen: Die anderen trinken oder rauchen, um sich auszuprobieren, vielleicht auch um sich cooler, lockerer zu machen oder Unsicherheiten zu überspielen. „Tritt man sicher auf, wird das von anderen schnell bemerkt und einige werden es vielleicht sogar bewundern.

* Name von der Redaktion geändert.

Literatur:

Kuhn, Gabriel: Straight Edge. Geschichte und Politik einer Bewegung, Unrast, 71 Seiten, 7,80 Euro, ISBN-13: 978-3897711082