Petition einer Mutter: Debatte um Bundesjugendspiele

Konstanz (dpa) - Eine dreifache Mutter aus Baden-Württemberg hat mit einem Onlineprotest gegen die Bundesjugendspiele eine hitzige Debatte ausgelöst, beharrt aber nicht mehr auf ihrer Maximalforderung.

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„Ich fände es schön, wenn am Ende wenigstens die Freiwilligkeit herauskäme“, sagte Christine Finke aus Konstanz. Die 49-Jährige verlangt in ihrer Online-Petition die Abschaffung der vor fast 65 Jahren eingeführten Bundesjugendspiele, weil eine schwächere Forderung „niemand hinterm Sofa hervorlockt“. „Ich wollte es unter die Leute bringen und nicht in den Bundestag.“ Die am Sonntag veröffentlichte Petition hatte inzwischen mehr als 12 000 Unterstützer.

Die Journalistin hält die für Schüler zwingende Sportveranstaltung für nicht mehr zeitgemäß, weil sich vor allem Kinder, die in den gefragten Disziplinen bei Leichtathletik und Co. schwach abschnitten, gedemütigt fühlten. Da sie mittlerweile aber auch von Fans der Spiele verbal angegriffen und ihr sogar Gewalt angedroht werde, überlege sie, die Polizei einzuschalten und sich aus der Debatte zunächst zurückzuziehen, sagte Finke.

Für besonders weite Sprünge, schnelle Sprints und andere sportliche Bestleistungen bekommen die Schüler eine Ehrenurkunde mit der Unterschrift des Bundespräsidenten, schwächere Mädchen und Jungen eine Teilnehmerurkunde.

Der Pädagogenverband VBE warnt vor überzogenen Reaktionen. „Diese Veranstaltungen abzuschaffen, nur weil nicht jeder der Beste sein kann, halte ich für den falschen Weg“, sagte der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann. „Völlige Gerechtigkeit in der Schule gibt es nicht, die bekommt man weder über Noten noch über ein Punktesystem bei Bundesjugendspielen.“

Beckmann forderte, dass sich die Bedeutung von Schulsport in den Unterrichtsplänen niederschlagen müsse. „Wir sollten erstmal dafür sorgen, dass die Stundentafeln im Sport erfüllt werden können. Damit alle Kinder sich in der Schule auch bewegen können.“ In den Kommunen werde vielerorts zu wenig für den Schulsport getan. „Wenn die Bundesjugendspiele eine schulische Veranstaltung sind, dann muss auch über das Jahr gewährleistet sein, dass Kinder viel Sportunterricht bekommen. Um ihre Leistungen verbessern zu können und dann am Ende zu schauen: Wie stehe ich im Wettbewerb mit den anderen da?“

Auch Eltern können ihre Kinder bei den Bundesjugendspielen unterstützen. Denn so manchen packt die Angst, sich vor den Klassenkameraden zu blamieren. „Das kann frustrierend sein, aber das ist ja Alltag in der Schule - für den einen ist es der Sport, für andere die Matheklausur“, sagt Ulric Ritzer-Sachs von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung. Wichtig sei, sich anzustrengen und dabei zu sein. Eltern sollten versuchen, die Wettkämpfe angstfrei zu gestalten. Dazu sollten sie ihrem Kind Spaß an der Bewegung vermitteln. „Es darf auch mal ein Wettrennen sein.“ Und es hilft, wenn sie dem Kind Mut machen und sagen: „Ich bin stolz auf dich, und was dabei rauskommt, ist egal.“

Doch was, wenn ein Kind richtig Panik hat - dürfen Eltern dann eine Entschuldigung schreiben? „Nur im Einzelfall und nur nach Absprache mit der Schule“, sagt Ritzer-Sachs. Sei ein Kind so verängstigt, dass es körperliche Symptome zeigt und sich beispielsweise übergeben muss, sollten Eltern mit den Lehrern darüber sprechen. Das gilt beispielsweise auch für Matheklausuren. „Dann kann es helfen, das Kind erst mal zu entschuldigen - und dann das Problem und die Angst in den Griff zu bekommen.“ Beim nächsten Mal sollte das Kind dann aber dabei sein - schließlich wird es auch später im Leben immer wieder in Wettbewerbssituationen geraten, die es zu bewältigen gilt.