Suchtexperte: Junge Menschen besser aufklären
Konstanz (dpa) - Komasaufen ist nach wie vor angesagt bei Jugendlichen. Der Vollrausch sei kein Tabu mehr, sagt ein Experte - das müsse sich unbedingt ändern. Denn das endlose Betrinken schadet der Entwicklung.
Bier und Wodka in Massen: Dass immer mehr Kinder und Jugendliche sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken, hängt nach Expertenmeinung auch mit der allgemeinen Einstellung zum Alkohol zusammen. „Wir erleben eine Enttabuisierung, dabei ist ein Vollrausch ein dramatisches und zu vermeidendes Ereignis“, sagt Suchtmediziner Wolfgang Höcker in Konstanz. Es herrsche gesellschaftlicher Konsens darüber, dass zum Feiern auch das schier endlose Betrinken gehöre. Der Vollrausch, der in vielen Fällen bei jungen Menschen im Krankenhaus endet, habe negative Folgen für die Entwicklung und auch die berufliche Zukunft dieser, warnte der Ärztliche Direktor des Zentrums für Psychiatrie Reichenau im Kreis Konstanz.
Die Entwicklung des Gehirns verlaufe etwa bei jungen Männern noch bis Mitte 20. Alkoholvergiftungen könnten daher zu Verzögerungen etwa bei der Übernahme von Verantwortung führen, also bei sozialen Fähigkeiten. „Man muss weg von dem Gedanken, erste Räusche und Alkoholvergiftungen gehörten zur Entwicklung dazu“, sagt Höcker, der über 25 Jahre die Suchtabteilung des ZfP leitete. 2011 kamen allein in der Region Konstanz 126 stark betrunkene 11- bis 17-Jährige in ein Krankenhaus, der Kreis liegt landesweit nach Ravensburg an der Spitze. Tausende Jugendliche waren es 2010 in ganz Baden-Württemberg.
Junge Menschen müssten mehr aufgeklärt und informiert werden; es ginge nicht darum, dass sie keinen Tropfen Alkohol mehr anrührten, aber sie sollten in der Lage sein, ihren Konsum kritisch zu hinterfragen. Von besonderer Bedeutung sei das Einstiegsalter, sagte Höcker. „Jedes Lebensjahr, in dem noch nicht getrunken wird, ist ein Gewinn für denjenigen, der es nicht tut.“ Ein 13-Jähriger mit einer Alkoholvergiftung trage ein viel stärkeres Risiko, als Erwachsener abhängig zu werden, als ein 14-Jähriger.
Knackpunkt seien vor allem die Eltern, sowohl als Vorbilder als auch in ihren Reaktionen auf das Trinkverhalten ihrer Kinder. „Das Schlechteste, was Eltern machen können, ist sich an die eigenen Vollräusche zu erinnern“, warnte Höcker. Sie müssten Position beziehen, die Kinder damit konfrontieren und auch kompetente Hilfe dazuholen. „Es muss kein Grund zur Überdramatik sein, aber man sollte etwas unternehmen und nichts unter der Decke halten.“