Was bei Testamentseröffnungen wichtig ist

München (dpa/tmn) - Das Familienoberhaupt ist gestorben. Im trauten Heim warten die versammelten Angehörigen darauf, dass der Familienanwalt den Letzten Willen des Verstorbenen verliest. So sieht eine Testamentseröffnung im Film aus.

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Die Realität ist weniger spannend.

Ein Anwalt in einem edlen Anzug steht in der holzgetäfelten Bibliothek vor einer eindrucksvollen Bücherwand. Vor ihm auf dem schweren Schreibtisch aus Eiche liegt eine Mappe aus dunklem Leder, in der sich der Letzte Wille des verstorbenen Patriarchen versteckt. Die versammelten Angehörigen in festlichem Trauergewand warten gespannt darauf, wer das ganze Vermögen erbt.

In der Praxis laufen Testamentseröffnungen so eher nicht ab. Denn meist wird der Letzte Wille nicht von einem Anwalt eröffnet, sondern vom Nachlassgericht. Es wird aktiv, sobald es von einem Todesfall Kenntnis erlangt. Üblicherweise kommt die Information vom Standesamt. Antworten auf wichtige Fragen:

Wie erfährt das Gericht von dem Testament?

Ob ein Testament vorliegt, erfährt das Gericht auf zwei Wegen: Zum einen über das zentrale Testamentsregister, in dem alle notariell erstellten Verfügungen sowie die beim Nachlassgericht hinterlegten handschriftlichen Testamente verzeichnet sind. Zum anderen, weil zum Beispiel ein zu Hause aufbewahrtes Dokument entdeckt und bei Gericht abgegeben wurde. Offiziell darf nur das Nachlassgericht die Verfügung aus dem Umschlag holen - vom amtlichen Aufschlitzen des Kuverts leitet sich der Begriff Testamentseröffnung ab.

Was passiert, wenn ein Anderer ein Testament öffnet?

Jeder, der ein solches Papier findet, ist verpflichtet, es möglichst sofort beim Nachlassgericht abzuliefern. So sieht es das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vor. Grundsätzlich bleiben verschlossene Umschläge verschlossen. Eine Zwickmühle für die Angehörigen: Woher sollen sie wissen, ob der Letzte Wille in dem in der Nachttischschublade entdeckten Kuvert steckt, wenn nichts draufsteht? Wer ein Testament sucht oder es öffnet, sollte neutrale Zeugen dabei haben und alles sorgfältig dokumentieren, um Ärger mit der Verwandtschaft vorzubeugen. Fotos und Videos sind hilfreich. Auch Entwürfe oder zerrissene Testamente müssen laut Gesetz zum Nachlassgericht gebracht werden.

Wie erfahren mögliche Erben vom Inhalt des Schriftstücks?

In der Regel kommt Post vom Nachlassgericht. Das passiert unabhängig davon, ob jemand schon vorher wusste, was ihm Eltern, Partner oder Oma zugedacht haben. Grundsätzlich wird jeder der im Testament Genannten angeschrieben. Das können neben möglichen Erben auch Menschen oder Organisationen sein, denen der Verfasser ein Vermächtnis zugedacht hat. Das gerichtliche Schreiben enthält meist das sogenannte Eröffnungsprotokoll und eine Fotokopie des Testaments.

Häufig ist nur der jeweils den Adressaten betreffende Abschnitt lesbar, der Rest wird geschwärzt. „Den Kinderschutzverein geht ja nichts an, was der Schützenverein bekommt“, sagt der Münchner Erbrechtsanwalt und Buchautor Bernhard Klinger. Nur ein Alleinerbe erfährt alles. Aus dem Brief des Gerichts geht nicht unbedingt hervor, wie umfangreich der Nachlass und der Anteil des Einzelnen sind. Manchmal findet sich nur die Formulierung „Sie kommen als Erbe in Betracht.“ Details zum Inhalt müssen mögliche Nutznießer dann selbst recherchieren.

Wie lange dauert es, bis das Gericht Erben informiert?

Das hängt unter anderem davon ab, wie schnell nach der Testamentseröffnung die richtigen Adressaten gefunden werden. Bei einem amtlichen verwahrten Testament dauert es etwa einen Monat. Manchmal kann ein halbes Jahr vergehen. Zugunsten eines zügigen Ablaufs rät Bernhard Klinger Testamentsverfassern, ihre künftigen Erben klar zu benennen. Neben Vor- und Nachname sollten die letzte bekannte Adresse, Geburtsort und -datum auf dem Papier stehen. Kosenamen verwirren: „Schatzimaus kommt und geht. Hinterher weiß keiner, wer gemeint ist.“

Worauf sollten Benachrichtigte achten?

Häufig informieren Nachlassgerichte mit einem Formblatt über die nächsten Schritte. Unter anderem sind Fristen wichtig. Ein Erbe hat sechs Wochen Zeit zu entscheiden, ob er den Nachlass notariell ausschlagen soll. Bei Auslandsaufenthalten beträgt die Frist sechs Monate. Bei Nichtstun gilt das Erbe automatisch als angenommen. Das birgt ein Risiko: Möglicherweise hat der Verstorbene mehr Schulden als Vermögen hinterlassen. Die Miesen hätte der Erbe dann zunächst am Bein. Zur eigenen Absicherung sollte er sich deshalb schnell einen Überblick über die Finanzen verschaffen. Ein Erbschein hilft nicht weiter. Denn den gibt es erst bei Annahme des Erbes.

Für das Geltendmachen des Pflichtteilsanspruchs bleibt eine Frist von drei Jahren. Die Verjährung beginnt am Ende des Jahres, in dem ein Berechtigter das Schreiben über die Testamentseröffnung im Briefkasten hatte. „Wer die Information 2014 erhalten hat, muss also bis 31. Dezember 2017 seinen Pflichtteil eingefordert haben“, erläutert der Jurist und Geschäftsführer des in München ansässigen Deutschen Forums für Erbrecht, Paul Grötsch. Im ärgsten Fall muss der Pflichtteil eingeklagt werden. Eine Klage hemmt die Verjährung.

Der Anspruch auf Herausgabe eines Vermächtnisses - etwa Schmuck für die beste Freundin - endet in der Regel ebenfalls drei Jahre nach Ablauf des Jahres der Zustellung. Bei Immobilien sind es zehn Jahre. Ansprechpartner ist der Erbe. Seine Identität steht im Erbschein. Begünstigte haben Anspruch auf eine Kopie. Den bekommen sie beim Nachlassgericht.

Wo liegen Fallstricke für potenziell Begünstigte?

Wer unsicher ist, ob er ein Erbe annimmt oder ausschlägt, sollte vorsichtig mit Worten sein. „Wer etwa bei finanziellen Nachforschungen sagt „Ich bin Erbe“ hat schon angenommen“, sagt Grötsch. Besser sei, sich als potenzieller Erbe vorzustellen.