Girokonto: ING-Diba schafft teure Überziehungszinsen ab - folgen andere Banken?
Bei der ING-Diba gibt es nur noch Dispokredite. Verbraucherschützer hoffen, dass der Markt in Bewegung gerät.
Düsseldorf. Es gibt nur wenig, was Bankkunden mehr ärgert als das Wort „Überziehungszinsen“. Institute wie die Commerzbank, Postbank und Targobank verlangen einen Zinssatz von fast 17 Prozent — und das in Zeiten eines historisch niedrigen Leitzins der Europäischen Zentralbank von 0,25 Prozent. Über eine mögliche Deckelung des Überziehungs- und auch des Dispozins streitet die Politik seit Jahren.
Der Vorstoß der ING-Diba, als erste Großbank in Deutschland den Überziehungszins für Girokonten (bisher zwölf Prozent) nun zu streichen, setzt die Konkurrenz daher unter Druck. Wer bei der Direktbank sein Konto über das vereinbarte Ausmaß („Dispo“) hinaus überzieht, soll künftig nicht mehr als den Dispozins von 7,95 Prozent zahlen.
Könnte dies nun ein Modell auch für andere Banken sein? Die Deutsche Kreditwirtschaft, das Sprachrohr der fünf Bankenverbände, hält sich dazu bedeckt. Es obliege alleine der Bank, ob es solche Überziehungszinsen verlange oder nicht, sagt Sprecher Steffen Steudel im Gespräch mit unserer Zeitung. Es sei aber zweifelsfrei eine gute PR—Maßnahme der ING-Diba und auch gut für den Kunden, wenn diese Zinsen abgeschafft werden.
Dass bald andere Banken nachziehen könnten, halten Verbraucherschützer für unrealistisch. „Wir hoffen natürlich, dass andere Institute unter Zugzwang geraten und dadurch eine Konkurrenzsituation geschaffen wird, von der die Kunden profitieren“, sagt Finanzexpertin Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale NRW. „Dass dies in nächster Zeit passieren wird, glauben wir aber nicht.“ Dazu seien die Geschäftsmodelle der Banken einfach zu verschieden — und für einige sei der Überziehungszins zugleich eine gern gesehende Einnahmequelle.
Doch obgleich Oelmann den Vorstoß der ING-Diba begrüßt — uneingeschränkte Begeisterung löst er bei der Verbraucherschützerin nicht aus. „Es ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, da die Überziehungs- und Dispozinsen viel zu hoch waren“, sagt Oelmann. „Aber wo ist nun die Grenze? Die Gefahr wächst erheblich, dass sich die Kunden nun leichter überschulden.“
Auch Bankenexperten unterstützen diese Einwände. „Bisher hatte man den Eindruck, dass Überziehungszinsen die Kunden disziplinieren sollen. Dieser Warnschuss der Banken fällt jetzt weg“, sagt Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim.
Auf Unverständnis stößt diese Kritik bei der ING-Diba. „Wir machen damit doch kein Scheunentor zur leichteren Überschuldung auf. Wenn jemand sein Dispo überzieht, bekommt er von uns ein Angebot, auf einen günstigeren Konsumkredit umzuschulden“, sagt ein Sprecher.
Der Vorschlag von ING-Diba-Chef Roland Boekhout, dass alle Banken eine zentrale Übersicht über ihre Zinskonditionen im Internet schaffen sollten — angesiedelt bei der Stiftung Warentest — wird von Verbraucherschützern und Experten als Schritt hin zu mehr Transparenz gewürdigt.
Wie viele ING-Diba-Kunden vom Vorstoß der Bank profitieren, bleibt fraglich. 150 000 von 1,1 Millionen Girokontoinhabern nehmen den Dispo in Anspruch — wie viele ihn überziehen, werde laut der Bank nicht erfasst. Das Dispo- und Überziehungskreditvolumen liegt insgesamt bei 250 Millionen Euro.