Mehl als Karrierekiller: Urteile rund um Allergien

Düsseldorf (dpa/tmn) - Gräser, Blüten oder Katzen - Allergiker reagieren auf viele Dinge empfindlich. Manchmal macht eine Überreaktion des Immunsystems die Ausübung des Berufs unmöglich. Doch nicht jede Versicherung erkennt das an.

Auf den ersten Blick ist es ein klarer Fall: Ein Koch, der an einer Fleischallergie leidet, ist berufsunfähig. Seine Berufsunfähigkeitsversicherung sah dies aber anders. Denn schließlich könne der Koch in einem vegetarischen Restaurant arbeiten, ließ sie ihn wissen. Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf bekam der Koch Recht. Die Richter hielten die Argumentation der Versicherung für zu spitzfindig (Aktenzeichen: 4 U 203/98).

Strenger urteilte das OLG Köln. Einem an Katzenhaarallergie leidenden Versicherungsvertreter verweigerten die Richter das eingeklagte Krankentagegeld mit der Begründung, er könne sich mit seinen Kunden auch an einem neutralen Ort treffen. Daher sei er arbeitsfähig (Aktenzeichen: 5 U 22/00).

Der Bundesgerichtshof (BGH) verweigerte einem Pizzeria-Besitzer mit Mehl-Allergie eine Berufsunfähigkeitsrente. Der Mann müsse sich zunächst einer Therapie unterziehen. Denn wenn feststehe, dass eine solche Therapie keine anderen gesundheitlichen Gefahren berge, müsse zunächst dieser Weg eingeschlagen werden (Aktenzeichen: IV ZR 50/01).

Allergiker riskieren allerdings den Versicherungsschutz, wenn sie allergische Erkrankungen beim Abschluss des Versicherungsvertrages nicht angegeben haben. Jedoch müssten sie die Erkrankung vorsätzlich und nicht aus Vergesslichkeit verschwiegen haben, so das OLG Frankfurt (Aktenzeichen: 3 U 286/07) und das Landgericht Dortmund (Aktenzeichen: 2 O 15/11).

Doch nicht nur im Zusammenhang mit Fragen der Berufsunfähigkeit, sondern auch in anderen Bereichen beschäftigen Allergiker die Gerichte. Ein Schwerpunkt liegt hier bei den Sozialgerichten. Sie müssen darüber befinden, ob eventuelle Mehrkosten für Bettwäsche, Nahrungsmittel und ähnliches von den gesetzlichen Krankenkassen getragen werden müssen.

So muss nach Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg die Krankenkasse die Kosten für ein diätetisches Lebensmittel nicht tragen, das der Kläger wegen einer Fettstoffwechselerkrankung nehmen musste (Aktenzeichen: L 5 KR 2103/09). Das LSG Nordrhein-Westfalen sah eine Zahlungspflicht der Krankenkassen für eine teure Ernährung nur in Ausnahmen (Aktenzeichen: L 19 (20) AS 50/09).

Die Gerichte stellen darauf ab, ob der jeweilige Gegenstand vorwiegend für Kranke und Behinderte gedacht sei. Nur in diesem Fall, nicht aber bei Gebrauchsgegenständen für jedermann, bestehe eine Zahlungspflicht der Krankenkasse, so das LSG Nordrhein-Westfalen (Aktenzeichen: L 5 KR 189/08). Daher sahen das LSG Sachsen-Anhalt (Aktenzeichen: L 10 KR 17/06) und das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen: 2 A 11758/01) in antiallergenen Bettbezügen allgemeine Gebrauchsgegenstände, die ein Allergiker selbst bezahlen müsse.

Wenn Krankenkassen nicht zahlen müssen, haben Allergiker allerdings die Chance, das Finanzamt zu beteiligen. Denn nach einem Urteil des Finanzgerichts Köln ist der Kauf eines allergikergeeigneten Bettsystems eine außergewöhnliche Belastung, die steuerlich absetzbar sei (Aktenzeichen: 7 K 7879/99). In dem Kauf eines Staubsaugers mit Spezialfiltern sahen die Kölner Richter dagegen keine steuerrechtlich relevante außergewöhnliche Belastung.

Allergien werfen auch mietrechtliche Fragen auf. So darf nach Meinung des Landgerichts Berlin ein Mieter fristlos kündigen, wenn er durch Schimmel in der Wohnung krank wurde (Aktenzeichen: 65 S 345/07). Nach Meinung des Landgerichts Mainz muss der Mieter allerdings dem Vermieter zuvor die Möglichkeit geben, den Schimmel zu beseitigen (Aktenzeichen: 3 T 102/97).

Zudem darf der Mieter nach Meinung des Amtsgerichts Bremen (Aktenzeichen: 25 C 180/97) und des Landgerichts Berlin (Aktenzeichen: 67 S 219/96) fristlos kündigen, wenn eine Wohnung mit Katzenflöhen oder Taubenzecken befallen ist. Zudem steht ihm nach Auffassung des Amtsgerichts Freiburg wegen der dadurch häufig bedingten allergischen Reaktionen ein Schmerzensgeld zu (Aktenzeichen: 4 C 2113/96).

Eine Therapeutin kostete die Allergie einer Patientin sogar das Honorar. Sie hatte sich für ein Parfum entschieden, das bei der Patientin, einer so genannten Duftallergikerin, zu Atembeschwerden führte. Die Therapie musste abgebrochen werden, und damit entfiel nach Meinung des Amtsgerichts Rheinbach auch der Honoraranspruch (Aktenzeichen: 5 C 437/09).

Auch Zahnärzte müssen mit Allergikern sorgfältig umgehen. Zwar müssen sie sich nicht unbedingt erkundigen, ob der Patient gegen bestimmte Stoffe allergisch ist, so die Oberlandesgerichte Oldenburg (Aktenzeichen: 5 U 147/05) und Köln (Aktenzeichen: 5 U 212/94). Falls dem Zahnarzt eine Allergie allerdings bekannt ist und er darauf keine Rücksicht nimmt, handelt es sich um einen groben Behandlungsfehler, so die OLG Oldenburg (Aktenzeichen: 5 U 147/05) und München (Aktenzeichen: 1 U 5906/01).