Schmuck bis Schlange: Geschichten aus dem Leihhaus

München (dpa) - Der schnelle Kredit lockt immer mehr Kunden: Steigende Goldpreise lassen in den Leihhäusern die Kassen klingeln. Thomas Käfer, Pfandleiher und Spross aus der gleichnamigen Gourmetfamilie, plaudert in einem neuen Buch aus dem Nähkästchen.

Sie kommen mit teurem Schmuck und schwerem Gold, bieten feine Möbel an und edlen Wein - und wollen schnelles Geld. Das Pfandhaus bietet immer mehr Menschen unbürokratische Rettung aus Finanznöten. „Das Leihhaus als zweitältestes Gewerbe der Welt wird immer funktionieren, in guten und in schlechten Zeiten“, sagt der Münchner Pfandleiher Thomas Käfer. Aus der Dynastie der Feinkosthändler stammend entschied er sich, nicht ins Familiengeschäft einzusteigen. In dem Buch „Lieber Kleingeld als kein Geld“ hat er seine Erfahrungen veröffentlicht.

Schon bei den Griechen und Römern halfen Pfandleiher bei klammen Kassen. Dann waren es wegen des altkirchlichen Zinsverbots meist Juden, später auch Staaten und Städte, die angesichts des steigenden Kreditbedarfs ins Geschäft mit dem Geldverleih einstiegen. Bis heute gibt es einige kommunale Leihhäuser.

Trotz oder auch gerade wegen der Krise klingeln bei den Pfandleihern die Kassen. Keineswegs trügen verarmte Menschen ihre letzten Erbstücke ins Leihhaus, sagt Wolfgang Schedl, Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Pfandkreditgewerbes, dem rund 200 Häuser und damit die Mehrzahl der Pfandleiher in Deutschland angehören. Vielmehr befügele die steigende Akzeptanz des Pfandkredits in der Bevölkerung und der steigende Goldpreis das Geschäft. Meist wird Schmuck beliehen, dessen Wert mit dem Goldpreis zunimmt. Damit bekommt der Kunde mehr Geld - und der Pfandleiher mehr Zinsen. „Der ständig gestiegene Goldpreis hat sehr, sehr positiv zur Entwicklung des Gewerbes beigetragen“, sagt Schedl.

Mehr als eine Million Deutsche gehen nach Schätzungen jedes Jahr ins Pfandhaus und nehmen insgesamt Kredite von weit mehr als einer halben Milliarde Euro auf. Die Tendenz ist weiter steigend.

Hinter verstärktem Glas ähnlich wie in einer Bank nehmen Käfer und seine Mitarbeiter die Dinge entgegen, die dem Besitzer aus der Not helfen sollen. Von 5 Euro bis 60 000 Euro reichen die Kredite, die er in bar über den Ladentisch schiebt, und so unterschiedlich wie die angebotenen Wertsachen sind auch die Kunden.

Prinzen, Baroninnen und Grafen deponieren laut Käfer genauso ihre Schätze wie glücklose Künstler und Literaten. Das Manuskript für einen vermeintlichen Bestseller schaffte es freilich ebenso wenig in Käfers Tresor wie teurer Rotwein, der ausgestopfte Kater Carlo, ein Rennpferd und eine lebende Schlange. Auch ein unmoralisches Angebot kommt schon mal über die Theke: Weil ihre von Oma geerbte Goldkette nur 20 Euro bringen sollte, hätte sich eine Wiesn-Besucherin für ein weiteres Entgegenkommen gern „erkenntlich gezeigt“, berichtet Käfer. Doch auch da blieb der Pfandleiher eisern.

Überhaupt herrscht zum Oktoberfest Hochkonjunktur, wie Käfer schreibt. Ein Zecher hätte glatt seine hirschlederne Hose versetzt. Andere bringen gerade geklaute Bierkrüge. Bayerische Accessoirs wie ein wertvoller Gamsbart oder ein Charivari, ein mit Münzen und silbergefassten Tierzähnen verzierter Herren-Bauchschmuck, können schon als Pfand durchgehen - die Lederhose oder der Bierkrug hingegen nicht.

Zum Geschäft gehört, dass Käfer, der seine Erlebnisse in dem Buch einfach aneinanderreiht, keine Namen der teils illustren Kunden preisgibt. Beim Pfandhaus sei es ähnlich wie beim Bordell: „Millionen gehen hin, aber erfahren soll es möglichst keiner.“

Doch die Hemmschwelle beim Gang ins Leihhaus ist gesunken. Was früher dem Offenbarungseid gleichkam, ist heute normales Geschäft. Der Personalausweis genügt, eine weitere Prüfung der Kreditwürdigkeit ist nicht nötig. „Beim Bankkredit haftet der Kunde für die Rückzahlung mit seinem gesamtem Vermögen. Beim Pfandkredit verlassen Sie das Leihhaus und haben de facto keine persönliche Schuld, da dem Pfandleiher für das Darlehen, die Zinsen und die Kosten ausschließlich das Pfand und nicht der Kunde persönlich haftet“, sagt Schedl.

Allerdings muss der Kunde, will er sein Pfand wieder auslösen, den Kredit bedienen - und das ist nicht billig: Ein Prozent Zinsen im Monat fallen nach der Pfandleihverordnung von 1961 an, plus Gebühr für Lagerung und Versicherung, insgesamt pro Monat 3 bis 4 Prozent - bis zu fast 50 Prozent im Jahr.

Für langfristige Kredite ist das Leihhaus jedoch nicht gedacht. Dennoch bleiben manche Gegenstände jahrelang im Tresor. Ein längst veralteter Synthesizer liegt seit zehn Jahren bei Käfer, der Kunde hat dafür schon das fünffache der ausgezahlten Summe an Zinsen und Gebühren bezahlt. Der Mann hatte darauf, wie Käfer schließlich herausfand, einmal einen Hit komponiert - den einzigen seines Lebens. Und er hofft noch immer auf ein Comeback.

Literatur:

Thomas Käfer: Lieber Kleingeld als kein Geld: Geschichten aus dem Pfandleihhaus, 224 Seiten, Ullstein, 2011, 8,99 Euro, ISBN-13: 978-3548373829