100 Jahre Brandt: Hagener Zwieback-Riese expandiert weiter
Hagen (dpa) - Brandt-Zwieback kennt fast jeder. Seit 100 Jahren backt und röstet das Hagener Traditionsunternehmen das krümelnde Hefegebäck vor allem für Kinder, Alte und Magenkranke. Henry Ford hatte den reiselustigen Schiffskoch Carl Brandt inspiriert.
Vor 100 Jahren hat Carl Brandt die Idee des süßlichen Zwiebacks aufgegriffen. Bekömmlich, schmackhaft, am besten mit Milch zusammen auf den Tisch gebracht. War der Magen verstimmt, gab die Mutter Zwieback zum Mümmeln. „Fast jeder Bäcker hat damals Zwieback gebacken“, sagt sein Sohn Carl-Jürgen Brandt. Dass er heute Chef des Marktführers ist, hat er seinem Vater zu verdanken. Der hatte etwas grundlegend anders gemacht als die Konkurrenz.
Es begann auf hoher See. Carl Brandt befuhr als Koch die Meere und hatte ständig den harten und fast geschmacklosen Schiffszwieback vor der Nase. Das wollte der junge Brandt ändern. Der Zwieback sollte schmecken. Und es kam noch eine Idee dazu. Die kam vom Autobauer Henry Ford mit der ersten Fließbandproduktion für Autos. Der reiselustige Carl Brandt entschloss sich, die Zwiebackproduktion nach amerikanischem Vorbild zu mechanisieren. Vor 100 Jahren, am 21. Oktober 1912, gründete der damals 26-Jährige Bäcker- und Konditormeister die Märkische Zwieback- und Keksfabrik.
Mehl, Hefe, Wasser, Zucker, Malz, Salz und ein paar andere Zutaten, das alles gären lassen, zum Stuten ausbacken, in Scheiben schneiden, rösten und trocknen lassen - fertig ist der Zwieback. Anders als in den meisten südlichen Ländern, kam ordentlich Zucker in den Teig, der den Zwieback leckerer, nahrhafter und bekömmlicher machte.
Mit dem Pferdefuhrwerk legte Brandt anfangs los und belieferte Kunden in Hagen und Umgebung. Der Siegeszug der Brandt'schen Zwiebäcke basiert aber auf der Idee von Ford. Carl Brandt mechanisiert 1929 die Herstellung. Eine Zwiebackschneidemaschine entwickelt der Gründer gleich selbst, auch den vierlagigen Beutel, der die Ware länger haltbar macht und frisch hält. Die industrielle Fertigung macht den Zwieback preiswert. Das Hefegebäck aus Hagen erobert fortan die deutschen Haushalte.
1937 beschäftigte das Unternehmen bereits 700 Mitarbeiter. Zwölf Lastwagen liefern den Zwieback in alle Richtungen aus. Das Herstellungsprinzip hat sich dabei in den 100 Jahren nicht grundlegend geändert. „Unsere Grundrezepturen haben wir beibehalten“, sagt der Sohn, Carl-Jürgen Brandt.
Aber der „alte“ Brandt belässt es nicht beim Zwieback. 1940 kauft er die Firma „Zugspitze“ Keks- und Schokoladenfabrik AG im bayerischen Landshut. 1965 stirbt der Gründer und seine Frau Betty übernimmt bis 1984 die Geschäfte. Sie kauft die Pauly Zwiebackfabrik in Friedrichsdorf und stellt dort Salzgebäck her. Der Sohn baut die Gruppe weiter aus: Hinzu kommen das Schokoladenunternehmen Gieselmann & Wille in Herford, der Gebäckspezialist Gottena in Schneverdingen und Uelzen. 1995 verkauft Brandt zwar die Gebäcksparte an Bahlsen, weil die eigene Produktion nie aus dem Schatten des Marktführers und der Nummer zwei, XOX, kam. Doch 2001 baut Brandt die Führungsposition bei den flachen Trockenbroten mit der Fusion mit Burger Knäcke in Burg bei Magdeburg aus.
Es kommt dennoch die Zeit der größten Existenzbedrohung. Brandt will das Hagener Stammwerk neu aufbauen, sucht aber vergeblich ein geeignetes Grundstück für ein 400 Meter langes Gebäude, in der ecken- und etagenlos produziert werden kann. Erst im thüringischen Ohrdruf wird er fündig, auch weil ihm 32 Millionen Euro Subventionen geboten werden. In Hagen tobt deswegen ein Arbeitskampf, den die Belegschaft verliert. Obwohl der damalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement Unterstützung verspricht, zieht die Produktion in den Osten. Von den rund 400 Beschäftigten geht nicht einmal eine Handvoll mit. Die anderen werden über einen Sozialplan abgefunden. „Der Arbeitskampf ging an das wirtschaftlich Erträgliche“, sagt Brandt heute.
Glück für den Chef, dass er in Thüringen bestens ausgebildete Angestellte fand. „Das waren alles halbe Ingenieure.“ Die Produktion lief mit Mini-Zwiebäcken im etwa 30 Kilometer entfernten Isseroda an, bis das Werk in Ohrdruf 2002 fertig war.
Heute beschäftigt die Brandt Gruppe 808 Mitarbeiter, darunter 43 Auszubildende. Das Unternehmen erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2011 einen Umsatz von 175 Millionen Euro. Hauptgeschäftsführer Carl-Jürgen Brandt plant eine erneute Expansion. Brandt will künftig alles auf den Frühstückstisch bringen, was zum bisherigen Sortiment passt, zum Beispiel Müslis oder Hörnchen. „Beim Zwieback ist kaum noch Wachstum drin“, sagt er.