Austernzucht auf Sylt: Arbeiten nach dem Mond
List (dpa) - Deutschlands einzige Austernzucht - wo anders könnte sie ihren Standort haben als auf der Luxus-Insel Sylt? In List hegt und pflegt Dittmeyer's Austern-Compagnie die teuren Tiere, die im Wattenmeer fast ideale Bedingungen vorfinden.
Wie zwei Steine klingen die beiden Austern beim Aneinanderschlagen - also ist alles in Ordnung mit ihnen. Bei einer anderen dagegen klingt es hohl - „die muss zurück in die Blidselbucht, zum Ausheilen der Schale in die Kinderstube“, stellt Bine Pöhner fest. Pöhner ist Geschäftsführerin von Deutschlands einziger Austernzucht, Dittmeyer's Austern-Compagnie in List auf Sylt. Hier finden die Tiere der Marke Sylter Royal hervorragende Lebensbedingungen: „Die Nordsee hat hier besonders gute Qualität.“ Nur drei Orte in Europa gebe es, erzählt Pöhner, die in die höchste Kategorie bei der Wasserqualität eingestuft werden, einer sei das Wattenmeer. „Das ist ein Riesenstandortvorteil.“ Zudem müssen die Tiere wegen des nährstoffreichen Wassers nicht gefüttert werden.
Der Standort hat allerdings auch Nachteile. Der Arbeitsplatz der Austernfischer „richtet sich nach dem Mond“, lacht Pöhner. Eine Ernte der kostbaren Tiere ist nur bei Niedrigwasser möglich, eine halbe bis zweieinhalb Stunden können die Fischer auf der 30 Hektar großen Fläche im Watt arbeiten, dann kommt die Flut. In klirrend kalten Wintern wurden die Austernbänke draußen in der Blidselbucht manchmal von Eisschollen überlagert. „Dann waren die Austern zerbrochen und die Netze aufgeschlitzt“, erinnert sich Pöhner. Doch auf Sylt weiß man sich zu helfen: Das weltweit einzige Winterquartier für Austern sorgt dafür, dass die Schalentiere in einer vergleichsweise warmen Halle in List durch die kalte Jahreszeit kommen.
Die Halle, mit tiefblauer Holzverkleidung an den Wänden, riecht an diesem Sommermorgen nach Meer und Tang. Kein Wunder: Die 15 Halterungsbecken, in denen auch jetzt die Austern zwischengehältert werden, die einen Vorrat für den Verkauf bilden, sind mit frischem Meerwasser gefüllt, das über eine Pipeline direkt in die Becken gepumpt wird. „Hier drinnen werden Ebbe und Flut simuliert“, erklärt die Geschäftsführerin. „Wir nennen das: Bodybuilding einer Auster.“ Bei Ebbe muss sich die Auster schließen, weil dann Feinde zu kommen drohen. Kommt die Flut, geht der Feind, und die Auster kann sich wieder öffnen. Nachdem die Meeresfrüchte aus den Becken gehoben wurden, kommen sie in die Waschanlage, wo sie unter Hochdruck von Kleinstlebewesen und Algen befreit werden.
Die Versandabteilung befindet sich einem kleinen weiß gekachelten Raum neben der Becken-Halle. Die Austernfischer machen auch den Versand, verpacken die Tiere in Spankörben mit speziell geschnittenem Reet, dann kommt die Auster mit der flachen Seite nach oben hinein: „Damit sie unterwegs nicht wackeln kann“, erklärt Bine Pöhner. Unter Druck wird das Päckchen dann zugeschnürt: „Das ist ihr dann zu anstrengend, das aufzudrücken.“ Drei bis vier Jahre braucht die Sylter Royal, um es auf 70 bis 90 Gramm Verkaufsgewicht zu bringen. Die Zucht sei arbeits- und kostenintensiv, sagt Pöhner. Eine goldene Nase könne man sich damit nicht verdienen.
Der Preis beträgt 1,30 Euro pro Stück, eine Million Stück werden jedes Jahr verkauft. Bundesweit, aber auch in die Karibik oder bis nach Hongkong wird geliefert. Und das Geheimnis des richtigen Schlürfens? „Schlürfen nur am Anfang, dann gut kauen, vier bis fünf Mal, damit man nicht nur das Meerwasser schmeckt.“ 25 Jahre alt wird Dittmeyer's Austern-Compagnie in diesem Jahr. Wer bei ihrem Namen an Valensina und Orangenbäume denkt, denkt richtig: Die Familie ist dieselbe. „Als Valensina verkauft wurde, wollte Dittmeyer senior in Deutschland in Landwirtschaft investieren“, erzählt Bine Pöhner. Zwei Angebote bekam er, eines waren die Austern.