Delikates Monster: Die Königskrabbe
Aschaffenburg (dpa/tmn) - Groß, rot, lecker, selten: So sieht der Steckbrief der Königskrabbe aus. Das Monster aus den kalten Gewässern Sibiriens und Norwegens gehört in Deutschland zu den Exoten unter den Meeresfrüchten.
In Japan ist es eine begehrte Delikatesse.
Der Königskrabbe eilt ein legendärer Ruf voraus. Stalins letzte Geheimwaffe, Monster, UFO: Das sind nur einige der wenig schmeichelhaften Bezeichnungen des panzer- und stachelbewehrten Meeresbewohners. Mit spitzen Klauen an den Beinen und dem Nasendorn sieht das bis zu einem Meter große und zwölf Kilogramm schwere Schalentier unheimlich aus. Wer sich davon nicht beeindrucken lässt, den erwartet ein kulinarischer Genuss. In den Beinen der Königskrabbe steckt zartes, weißes, intensiv nach Krustentier schmeckendes Fleisch.
In Deutschland liegt die Krabbe eher selten auf dem Teller. „Es ist ein edles Produkt und mit etwa 36 Euro pro Kilo Bein im Einkauf nicht billig“, sagt Joachim Elflein, Küchenchef aus Niedernberg bei Aschaffenburg. Er serviert das gekochte und ausgebrochene Fleisch der King Crab mit einer Knoblauch- oder Cocktailsoße, gratiniert die Beine oder veredelt damit Pasta und Ragout. Die Delikatesse kann auch zu einer Roulade oder zu Tartar verarbeitet werden. Für die Roulade wird das Krabbenfleisch mit einer Fischfarce bestrichen, in Alufolie gerollt und gegart. Dazu passt eine Sahnesoße auf Basis des Fischfonds. Je nach Größe kann eine Krabbe nach Einschätzung von Elflein bis zu acht Portionen ergeben.
Die Zubereitung erfordert etwas Übung. Am besten bekommen dem Beinfleisch indirekte Hitze oder Garen bei Temperaturen bis maximal 60 Grad, erläutert Maria Koch vom Fisch- und Meeresfrüchtehändler Deutsche See in Bremerhaven. Meistens reichen 10 bis 15 Minuten Garen in Salzwasser. Ganz gibt es sie so gut wie gar nicht, die Beine im sehr gut sortierten Einzelhandel. Gängiger ist eingedostes oder tiefgefrorenes King-Crab-Fleisch. Sollte mal ein gepanzertes Bein frisch zu bekommen sein, könne es von der Kühltheke auf den Grillrost wandern, so Koch.
Im Unterschied zu Deutschland ist das rote, blaue oder braune Schalentier in Japan eine außerordentlich begehrte Delikatesse. „Da werden Fantasiepreise gezahlt“, sagt Prof. Michael Türkay, Großkrebs-Experte vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt sowie Mitautor von Kochbüchern. Die Asiaten sind die Hauptabnehmer der King Crab. Türkay vermutet, dass auch aufgrund der großen Nachfrage in Fernost nur so wenige Exemplare der schmackhaften Exoten auf den hiesigen Markt kommen.
Denn Mangel besteht nicht. Die riesigen Meerestiere, die streng genommen keine Krabben sind, sondern Mitglieder der Familie der Scheinkrabben und Mittelkrebse, haben keine natürlichen Feinde. Sie vermehren sich munter und breiten sich in kalten Gewässern schnell aus. „Ihre Vorkommen hören auf, wo der Golfstrom anfängt“, sagt Türkay. Bis vor die Küsten Sylts haben sie es nicht geschafft, aber - mit menschlicher Hilfe - bis nach Nordnorwegen. Dorthin sind sie aus der benachbarten Barentssee zugewandert, wo russische Forscher seit den 1940er Jahren die Krabben-Krebse heimisch machen wollten, in der Absicht, eiweißreiche Nahrung zu produzieren. Die Geschichte trug zum Beinamen „Stalins letzte Geheimwaffe“ bei.
Das Monsterimage der Delikatesse kann Michael Türkay ebenso wenig nachvollziehen wie die vermutete Bedrohung der heimischen Unterwasserwelt. Zwar sind in einigen Lebensgebieten Seesterne, eine Lieblingsspeise der Krebse, verschwunden. „Ursache und Wirkung sind aber schwierig nachweisbar“, sagt der Wissenschaftler. Russen, Norweger und Japaner nehmen die Sache pragmatisch. Fangen, kochen, servieren, heißt ihr Rezept.