Der weite Weg der Bio-Lebensmittel
Berlin (dpa) - Wer Bio kauft, macht das am besten regional - so lautet ein Grundsatz im Öko-Landbau. Doch Verbrauchern gelingt das nicht immer. Der Bio-Anbaustandort Deutschland stagniert. Das freut die Konkurrenz.
Die Bio-Milch kommt aus Dänemark, die Kartoffeln aus Öko-Landbau in Israel, der Bio-Bäcker backt mit rumänischem Weizen: Deutschlands Bio-Käufer haben es vielfach schwer, sich direkt aus ihrer Region zu versorgen. Denn obwohl Bio immer gefragter ist, will der ökologische Landbau in Deutschland nicht recht wachsen. Das hat Folgen - für die Verbraucher, den Handel und ausgerechnet für die Öko-Bilanz der Bio-Lebensmittel.
Drei Viertel der Bundesbürger haben inzwischen wenigstens gelegentlich Bioprodukte im Einkaufswagen, wie eine Studie des Bundesagrarministeriums ergab. Beliebter werden sie besonders bei jüngeren Kunden. Doch auf deutschen Äckern ist von dieser Dynamik nichts zu sehen: 2012 wuchs der Anteil der biologisch bewirtschafteten Felder nach amtlichen Daten nur noch um 0,1 Punkte auf 6,2 Prozent der gesamten Nutzfläche. Mit diesen gut einer Million Hektar steht Deutschland in der Welt an achter Stelle.
Warum es nicht deutlich mehr wird? Bauernpräsident Joachim Rukwied formuliert es so: „Die relative Vorzüglichkeit ist nicht so stark ausgeprägt.“ Will sagen: Es lohnt sich nicht, trotz öffentlicher Beihilfen für den, der seinen Betrieb umstellen will. Wer als Bauer beispielsweise ohne Spritzmittel auskommen muss, braucht mehr Arbeitskräfte, um Unkraut zu bekämpfen. Doch die Lohnkosten in Deutschland sind vergleichsweise hoch, wie Rukwied erläutert. „Bio-Bauern in Rumänien und Bulgarien produzieren deutlich günstiger.“
„Verarbeiter und Händler sind gezwungen, ausländische Ware zu kaufen, obwohl sie regionale bevorzugen würden“, kritisiert der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Seit Supermärkte und Discounter sowie zunehmend auch Kantinen und reine Bio-Ketten in den Städten Produkte mit dem Öko-Siegel fordern, kommt immer mehr Bioware per Schiff oder Lastwagen über die Grenze: jeder zweite Apfel, jeder dritte Liter Milch und jedes vierte Pfund Butter aus dem nachhaltigen Segment.
Dass gut die Hälfte des inzwischen mehr als sieben Milliarden Euro schweren Bio-Angebots in den Regalen von Supermärkten und Discountern steht, hat für die Kunden zwar auch einen Vorteil - die effizienten Abläufe der Branchenriesen senken Kosten und damit die Preise.
Der BÖLW verweist aber auf Nachteile: „Die Öko-Bilanz weit gereister Bio-Produkte verschlechtert sich deutlich.“ Dabei war die Öko-Bilanz den Vätern der Biobewegung ein Kernanliegen. Die Branche fordert vom neuen Agrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mehr Fördermittel für Betriebe und Forschung, damit sich Kunden wohnortnah eindecken können.
Der hält sich bislang bedeckt: „Wir schreiben niemandem etwas vor“, ließ er sich zum Biomarkt von der „Bild“-Zeitung lediglich entlocken. „Entscheidend ist, dass wir den Verbrauchern eine große Vielfalt an hochwertigen und gesunden Lebensmitteln zur Verfügung stellen, aus der er auswählen kann, was ihm schmeckt.“ Woher die Ware kommen sollte, ließ Friedrich offen.
Für mehr Tempo beim Ausbau der heimischen Bioproduktion wirbt das Umweltbundesamt. Die Vorteile für die Natur seien offensichtlich, sagt der amtierende Präsident Thomas Holzmann und erinnert an das Ziel der Bundesregierung, auf 20 Prozent der Anbaufläche zu kommen. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, erreichen wir es im Jahr 2078.“