Kulinarische Klassiker Döner in USA: „Beliebtestes Hand-Essen Deutschlands“

New York (dpa) - Logan Laughlin könnte man sich auch in einem Imbiss am Berliner Hermannplatz vorstellen. Ihre Lederjacke ist ein bisschen zerknautscht, ihr Handgelenk ziert ein Tattoo von David Bowie.

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Gerade hat sie sich in einer Markthalle in Brooklyn einen Döner bestellt - für 12,75 Dollar.

Wer den türkisch inspirierten Straßen-Snack in New York probieren will, muss dafür auch New Yorker Preise zahlen. Laughlins Fazit: „Ich würde es wieder bestellen. Die Soße war sehr gut.“

Wenn Amerikaner über deutsche Küche sprechen, denken sie oft an Deftiges: an Braten und Würste, an Brezn und Sauerkraut, an Kartoffelsalat oder auch mal das (österreichische) Schnitzel. Vom Döner Kebab, Lieblingsessen für Millionen Deutsche, haben viele noch nie gehört. Architekt German Carmona etwa, der in Brooklyn gerade den ersten Döner seines Lebens verspeist hat. Carmona musste erstmal im Internet nachlesen, woher die Fladenbrottasche mit Fleisch und Salat eigentlich kommt. Gern wird der Döner auch für ein Gyros-Sandwich gehalten oder gleich im Döner-untypischen Pitabrot verkauft.

Der in Berlin-Kreuzberg geborene Erkan Emre will die kulinarische Bildungslücke schließen. „ Kotti Berliner Döner Kebab“ heißt sein Stand - schon der Name soll verraten, woher das Ding stammt. Das „vertikal gebratene Hähnchen“, wie das Fleisch vom Spieß beworben wird, gibt es bei ihm auch im Hamburger oder im „Döner Cone“, einer zum Kegel geformten Teigtasche. Auf einem Wandgemälde rollt eine Berliner U-Bahn über die Brooklyn Bridge, dahinter ragen Berliner Fernsehturm und Brooklyns Wolkenkratzer in den Himmel. Berlin und New York sind hier Geschwister - dem Döner sei dank.

Mehr als 100 mehr oder weniger typische Döner-Läden findet Google in den USA, von türkischen Restaurants bis zu Fast-Food-Ständen. „ Spitz“ in Utah verkauft Döner etwa in den Versionen „Berlin“, „mediterran“ und „Straßenstand“, beim „ Berlin Street Grill“ in Kalifornien werden die Taschen im Blau-Weiß der bayerischen Landesfahne serviert. Das „ Döner Bistro“, das im Raum Washington mehrere Filialen hat, nennt den Snack das beliebteste „Hand-Essen“ Deutschlands (Gummibärchen von Haribo und Milka-Schokolade gibt es als Nachtisch).

„Street Food Nummer Eins in Deutschland“ wirbt auch der Stand „ Berlin Currywurst“ im Chelsea Market in New York, Ableger eines Restaurants aus Los Angeles. Dessen Website erzählt vom „magischen Geist“ der Currywurst-Stände, die in Berliner Nächten zum „Treffpunkt in der Nachbarschaft“ werden. An den Wänden hängen Fotos von der Berliner Mauer und - natürlich - von einem innerdeutschen Grenzübergang mit dem Straßenschild: „You are leaving the American sector“.

An Berliner oder Hamburger Originale reicht die Currywurst hier auf jeden Fall heran. „Das war schon nah dran“, sagt Rita Henrichs, die aus Bielefeld zu Besuch ist. Deutsches Street Food sei ähnlich deftig wie das in den USA, sagt Henrichs. „Das können die schon mit ihrem Gaumen vereinbaren.“ Ihre Tochter Anna, die gerade ein Jahr Arbeit in Kalifornien hinter sich hat, „konnte es nicht mehr abwarten“, bevor sie zurück nach Deutschland reist.

Die Amerikaner personalisieren gern, ob das Sandwich im Deli-Markt oder den Vanille-Soja-Latte im Café. Im Chelsea Market gilt deshalb: Wer eine Wurst (Brat, Bock, Paprika, Nürnberger, Rind, Käse, Hähnchen, Tofu) bestellt, kann neben Curryketchup auch Orange-Ingwer- oder Knoblauchsoße wählen und um Schärfe auf einer Skala von Null bis Vier bitten. Auch Erkan Emre erklärt: „Wir haben sechs verschiedene Arten, den Döner zusammenzustellen.“ Den „Döner Cone“ erfand seine sechsjährige Tochter in einer Anspielung auf Eiscreme-Waffeln.

Nach Catering-Aufträgen für die deutsche Regierung und die Bayerische Landesbank in den USA ist Emre im Business angekommen - das schien kaum denkbar, als er vor rund 20 Jahren nach New York zog. Eigentlich wollte er dort Architektur studieren, doch der Mann hatte Hunger und kaufte sich für 400 Dollar einen kleinen Spieß, um für Verwandte und Freunde ein Döner-Barbecue zu veranstalten. Es folgten Probelauf mit einer Fokusgruppe, Businessplan, eintägige Reise nach Berlin zum Döner-Test. „Kein Risiko, kein Gewinn“, sagt Emre, der seinen alten Job kündigte, um sich ganz dem Döner-Geschäft zu widmen.

Erklären, was genau jetzt ein Döner ist und wo der herkommt, muss der Sohn türkischer Migranten noch immer. „Das ist ein bisschen Teil der Kulturaufarbeitung“, sagt Emre, man müsse die Bevölkerung in den USA auch „an der Hand halten“. Dabei helfen inzwischen 20 Mitarbeiter, ab April ist der „Kotti Döner“ wieder beim jährlichen Essens-Festival Smorgasburg in Brooklyn zu Gast. Der eine oder andere Amerikaner wird dort den ersten Döner seines Lebens essen. „Die denken, dass Kartoffeln bei uns alles sind“, sagt Emre.