Gefühle ohne Worte ausdrücken - Eine Tanztherapie hilft dabei
Heidelberg (dpa/tmn) - Von chronischen Schmerzen bis zur Schizophrenie: Bei vielen Krankheitsbildern kann Tanztherapie eingesetzt werden. Durch Bewegung und Körperwahrnehmung sollen die Patienten ihre Emotionen ausdrücken und dadurch heilsame Prozesse anstoßen.
Michaela Beer-Mann hatte Brustkrebs. Jetzt ist sie zur Anschlussheilbehandlung in einer Klinik und besucht dort die Tanztherapie. Die Bewegung an sich stehe dabei nicht im Vordergrund, sagt sie: „Das ist eher ein emotionaler Sport.“ Zu Beginn der Stunde erzähle jeder Patient, wie er sich fühlt. Häufig suche sich dann jeder einen Platz im Raum und versuche, seinen Körper zu spüren. Die körperlichen Bewegungen helfen, gedankliche Belastungen wie den Moment der Diagnose zu verarbeiten: „Mit meinen Armen konnte ich sie einfach wegschieben“, erklärt sie.
„Über die Arbeit am Körper lässt sich etwas an Gefühlen, Gedanken und im sozialen Bereich verändern“, erläutert Prof. Sabine Koch, Leiterin des Masterstudiengangs Tanz- und Bewegungstherapie an der SRH Hochschule Heidelberg. Grundsätzlich gehe es bei Tanztherapie darum, seinen Körper wahrzunehmen und Emotionen durch Bewegungen auszudrücken. „Tanztherapie hat erst einmal nichts mit klassischem Tanz zu tun“, betont Elke Willke, Tanztherapeutin und Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Tanztherapie (DGT).
Es gibt auch keine typische oder festgelegte Therapiestunde. Der Ablauf hängt vom aktuellen Thema und dem gegenwärtigen Stand der Therapie ab. „Die Therapiestunde ist ein Dialog“, sagt Willke. „Und keine Sportstunde, in der man ein Programm abzieht.“ Dazu gehört, dass die Teilnehmer miteinander sprechen. „Es kann auch sein, dass die Bewegung nur fünf Minuten dauert.“
Tanztherapie hat ihre Wurzeln im Ausdruckstanz der 1920er Jahre. „Tanztherapie ist eine Therapieform, die über Bewegung und Tanz dem Menschen Erfahrungen vermittelt, wie er ist, wie er sich hält und wie er sich ausdrückt“, erklärt Willke. Neben dem Ausdruckstanz fließen auch andere Strömungen in der Tanztherapie zusammen: Teile von psychotherapeutischen Ansätzen, aber auch Gedanken aus der Gymnastikbewegung der 20er Jahre, die körperliche Aktivität als Wahrnehmungsmöglichkeit betont.
Oft wird die Tanztherapie Patienten mit Depressionen, schizophrenen Erkrankungen und sozialen Schwierigkeiten angeboten. Aber auch bei psychosomatischen Erkrankungen kommt sie häufig zum Einsatz, in der Onkologie, bei Schlaganfallpatienten und bei Rückenschmerzen. „Die meisten Tanztherapeuten haben viele methodische Möglichkeiten, die man für das jeweilige Krankheitsbild anpassen kann“, erläutert Willke.
„Tanztherapie wird präventiv, akut und rehabilitativ, zum Beispiel bei der Brustkrebsnachsorge, verwendet“, erklärt Koch. Die Ziele der Therapie können ganz verschieden sein und richten sich nach dem Krankheitsbild: „Bei Schizophrenie-Patienten versuchen wir beispielsweise, den Affektausdruck zu verbessern, bei autistischen Patienten die spontanen nonverbalen Reaktionsfähigkeiten, die zum Beispiel für Smalltalk so wichtig sind.“
Michaela Beer-Mann konnte durch die Bewegungen ihre Ängste und die Trauer, erkrankt zu sein, ein Stück weit loslassen. Seitdem sie die Tanztherapie macht, fühle sie sich gelassener und leichter - man komme durch die Bewegung schnell bei sich selbst an. Während der Therapiestunden sei der Schock der Diagnose wieder aufgetaucht: „Es fiel wie von mir ab, ich habe mich wieder im Frieden mit mir und gleichzeitig fröhlich und frei gefühlt.“