Keine Angst vor Erster Hilfe
Leipzig. Im Kaufhaus kippt ein Kunde aus den Pantoffeln und fällt zu Boden. Beim Mittagessen in der Kantine verschluckt sich der Kollege und ringt nach Luft. In der Küche säbelt sich der Hobbykoch in den Finger und blutet heftig.
Wer in solchen Situationen weiß, wie er helfen kann, rettet mitunter ein Leben.
Auch wer sich unsicher ist, sollte helfen - nicht nur, weil er dazu gesetzlich verpflichtet ist und sonst eine Strafe riskiert."Der einzige Fehler ist, nichts zu tun", sagt Lars Menzel von der Johanniter-Unfall-Hilfe in Leipzig. Jeder, der einen Notfall sieht, müsse sich bewusst machen: "Ich bin das wichtigste Glied in der Rettungskette."
Denn je eher zum Beispiel ein Notruf unter 112 abgesetzt wird, desto schneller können sich dann Profis um einen Verletzten kümmern. "Lieber einmal zu viel den Notruf wählen, als einmal zu wenig", rät Menzel. Ein Überblick, was wann zu tun ist:
Kippt ein Mensch plötzlich um, machen Augenzeugen meist intuitiv das Richtige: Sie sprechen ihn an, schütteln ihn - und überprüfen so, ob er bewusstlos ist. "Shake and shout", nennt der Notfallmediziner Markus Roessler dieses Prinzip. Reagiert der Betroffene nicht, muss sofort unter 112 ein Notruf abgesetzt werden.
Dann sollte der Helfer auf die Atmung achten, erklärt der Ärztliche Leiter des Rettungsdienstes der Uniklinik Göttingen: "Hört man Atemgeräusche? Hebt und senkt sich der Brustkorb?" Ist das der Fall, wird der Bewusstlose in die stabile Seitenlage gebracht und sein Kopf nach hinten überstreckt. So kann Erbrochenes oder Speichel abfließen, und es wird verhindert, dass die Zunge die Atemwege blockiert.
Lässt sich keine Atmung feststellen, muss der Helfer sofort mit einer Herz-Lungen-Wiederbelebung beginnen. Der leblose Mensch wird dazu auf den Rücken auf einen harten Untergrund gelegt und sein Oberkörper freigemacht. Der Helfer kniet neben ihm. Als Regel gilt: immer abwechselnd 30 Mal den Brustkorb drücken und dann 2 Mal beatmen, sagt Barbara Hogan von der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfallaufnahme in Hamburg.
Immer einen Versuch wert sei es, zu Beginn der Reanimation mit der Faust auf die Brust zu schlagen - "wie wenn man auf den Tisch haut".Herzmassage plus Beatmung werden fortgesetzt, bis der Betroffene wieder selbst normal atmet oder der Rettungsdienst ihn übernimmt. Dass dabei eine Rippe bricht, muss Helfer nicht sorgen, erklärt die Medizinerin. "Das kommt vor, beeinträchtigt den Verletzten aber nicht - Hauptsache sein Herz schlägt wieder."
Denn je länger es aussetzt, desto schwerer sind die Folgen für den gesamten Organismus. Gibt es in greifbarer Nähe einen automatischen Defibrillator, zum Beispiel am Flughafen oder im Schwimmbad, sollte dieser benutzt werden, rät Hogan: "Davor braucht man keine Angst haben, das Gerät sagt einem wirklich alles."
In jedem Büro und im Auto ist er Pflicht, und auch in jedem Haushalt sollte ein Erste-Hilfe-Kasten vorhanden sein. Darin finden sich sterile Kompressen, mit denen sich zum Beispiel Schnittwunden abdecken lassen, bevor sie verbunden werden. Findet sich keine sterile Auflage, tun es bei heftigen Blutungen auch andere Abdeckungen - Hauptsache, die Blutung werde gestoppt, sagt Hogan.
Blutet eine Wunde stark, empfiehlt Menzel, den Rettungsdienst unter 112 zu alarmieren. Grundsätzlich rät er: "Arbeiten Sie mit der Physik." Ein blutender Finger sollte höher als das Herz gehalten werden, damit weniger Blut austritt. Nicht nur in solch einem Fall ist es sinnvoll, Einweghandschuhe zu tragen, sondern - wegen einer möglichen Infektionsgefahr - bei jeder Form von Erster Hilfe.
Wer nur mit dem Finger auf die heiße Herdplatte getippt hat, ist meist nicht sehr stark verletzt. Kleinere Verbrennungen oder Verbrühungen werden am besten zehn Minuten unter handwarmen, fließendem Wasser gekühlt, sagt Menzel. Blutende Wunden dürfen nicht gekühlt werden. Wenn die Verletzung größer ist, muss die Notrufnummer gewählt werden.
Hat ein Mensch sich verschluckt, lassen Umstehende ihn am besten erst einmal husten. "Das ist der stärkste Reiz, um das Verschluckte auszuspucken", erläutert Roessler. Meist neigt sich der Hustende leicht nach vorn. Helfen kann dann auch, ihn zwischen die Schulterblätter zu schlagen, ergänzt Menzel. Lässt sich der Fremdkörper nicht ausspucken, ist ein Notruf fällig. Denn wenn der Betroffene das Bewusstsein verliert und nicht mehr atmet, müssen Helfer ihn schnell wiederbeleben.