Köche setzen wieder mehr auf Regionales

Kaisersbach-Ebni (dpa/tmn) - Kalbsnierle, Schneckensüppchen, Ahle Wurscht oder Diepholzer Moorschnucke: Wer die kulinarischen Besonderheiten einer Region kennenlernen will, muss schon suchen. Aber es gibt sie - und auch immer mehr Spitzenköche setzen darauf.

Hamburger Labskaus, Frankfurter Grie' Soß oder schwäbische Maultaschen: Wer kennt solche regionalen Spezialitäten nicht. Doch auf der Reise durch Deutschland ist es nicht immer einfach, die kulinarischen Besonderheiten der Regionen kennenzulernen. Die Gourmetgastronomie folgt mit Luxusprodukten wie Gänsestopfleber, Trüffeln und Jakobsmuscheln dem Wunsch der Gäste nach mehr Flair, während Fast-Food-Ketten und Franchise-Restaurants sich im unteren Segment mit austauschbarem Speiseangebot breitmachen.

Das führt dazu, dass die „einfache Küche“ ausstirbt, weil sie arbeitsintensiv und schwierig zu kochen ist. Einher damit geht auch der Verlust traditioneller und regionaler Produkte. Die Genießervereinigung Slow Food startete deshalb 1996 die „Arche des Geschmacks“, die Lebensmittel, Nutztierarten und Kulturpflanzen an Bord nimmt, die vom Aussterben bedroht oder unter den gegenwärtigen ökonomischen Bedingungen bedeutungslos geworden sind. So fanden unter anderem die nordhessische Ahle Wurscht oder die Diepholzer Moorschnucke einen Förderkreis.

Doch die Beschaffung guter regionaler Produkte sei nicht immer leicht, beklagt Ernst-Ulrich W. Schassberger, Präsident der Eurotoques-Stiftung, die sich für die natürliche Produktion von Lebensmitteln und die Pflege heimischer Erzeugnisse einsetzt. Mit der Initiative „Coq d'Or“ setzt Schassberger neue Maßstäbe, um das kulinarische Erbe der Regionen zu bewahren. Die teilnehmenden Gaststätten hätten teils „uralte“ Rezepte auf ihre Speisekarte gesetzt, die sonst in Vergessenheit zu geraten drohen. Mindestens drei Gerichte aus dem Erbe der Großeltern müssen sie anbieten.

Die Fränkin Elisabeth Wiesinger hat diese Idee rasch umgesetzt. Vor zehn Jahren übernahm sie die elterliche Hofschänke in Windsbach und machte daraus den „Wiesingerhof“. „Wir bieten derzeit als Coq d'Or-Menü Pastinakensuppe, Rinderbäckchen und Apfelkrapfen an“, erzählt sie. „Oft gibt es Rinderbäckchen und Pastinaken zwar in der Top-Gastronomie, aber in der normalen Gastronomie sind sie meist verschwunden.“ Wenn ihre Lieferanten etwas nicht liefern können oder es nicht der Saison entspricht, komme es nicht auf die Karte.

Dieter Wetzel vom „Schwanen“ in Metzingen sieht das genauso. Im Biosphärengebiet Schwäbische Alb mangelt es ihm nicht an Lieferanten für erstklassige regionale Produkte. „Die sind inzwischen gut darauf eingestellt und liefern höchste Qualität“, sagt er. Mit seinen Kollegen vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Baden-Württemberg verwendet er unter dem Logo „Schmeck den Süden“ überwiegend Produkte aus der Region: Schneckensüppchen oder „Schwäbische Austern“ von Albschnecken sowie die kleinen, feinen und extrem raren Alblinsen ebenso wie Büffelmaultaschen.

Sternekoch Ernst Karl Schassberger, Mitglied der Jeunes Restaurateurs, der europäischen Vereinigung junger Spitzenköche, folgt im Romantikhotel am Ebnisee bei Stuttgart bei regionalen Gerichten dem kulinarischen Erbe seiner Vorfahren und einem „grünen Faden“ der Nachhaltigkeit. Es gibt Wild aus dem umgebenden Schwäbisch-Fränkischen Wald, Kalbsnierle oder Kutteln.

Der 35-Jährige, sieht bei der Qualität der Nahrungsmittel Nachholbedarf in Deutschland: „In Frankreich haben Lebensmittel eine viel größere Tradition.“ Doch Schassberger ist auf einem guten Weg: Wenn er und seine Kollegen aus der Sterneküche beim Küchenfest gemeinsam aufkochen, steht dies unter dem Motto „Genießen mit unverwechselbar regionalem Charakter“. Seine Gäste finden das gut.