Leben im Kloster: Selbstdisziplin öffnet die Türen

Vom Leben im Kloster können wir viel lernen. Da außerhalb der Mauern aber die autoritäre Ordnung fehlt, müssen wir uns mehr anstrengen als Nonnen und Mönche.

Wer ins Kloster geht, kehrt der Welt den Rücken zu. Familie, Freunde, Freiheit - Werte, die keine Rolle mehr spielen, ihre Anziehungskraft verloren haben. Stattdessen: Armut, Gehorsam und Keuschheit. Diese drei Gelübde legen Nonnen und Mönche vor ihrem endgültigen Eintritt in ein christliches Kloster ab.

Können wir von einem solchen Miteinander, das sich freiwillig hinter meist dicken Mauern abspielt und derart strengen Regeln folgt, etwas lernen?

Nach der Lektüre des Buches von Anselm Grün und Petra Altmann fällt die Antwort eindeutig aus: Ja, wir können. So einfach, wie der Benediktiner-Mönch und die Journalistin uns glauben machen wollen, ist die Sache allerdings nicht.

Vielschreiber Grün (rund 300 Bücher mit einer Auflage von 14 Millionen Exemplaren) erläutert das klösterliche Leben mit seinen Ritualen, die auf die uralten Regeln des Heiligen Benedikt zurückgehen. Altmann versucht anschließend, diese Prinzipien auf unseren Alltag zu übertragen. Dabei hält sich das Autoren-Duo an ein fragwürdiges Strickmuster: Der oft idealisierten Beschreibung des Daseins als Mönch folgt jeweils die Behauptung, es sei eigentlich gar nicht so schwer, dem zu folgen.

Grün/Altmann verlieren aus dem Blickfeld, dass das Leben außerhalb der Klostermauern keiner autoritären Struktur unterworfen ist. Der weltliche Alltag steckt nun einmal voller Möglichkeiten, das Unvernünftige oder Falsche zu tun. Wenn wir zu viel Süßkram essen, zu lange im Büro bleiben oder täglich fünf Stunden vor dem Fernseher verbringen, hindert uns niemand daran. Daraus folgt eine banale und für viele bittere Wahrheit: Ohne Selbstdisziplin geht wenig. Wer hiermit kein Problem hat, kann sich vom Leben im Kloster jede Menge abgucken - und Regeln aufstellen, die einem vielleicht nicht heilig, aber doch zumindest sehr wichtig sind.

Zum Beispiel feste Tagesstrukturen. Sie schaffen Sicherheit, ermöglichen eine bessere Planung und sparen Zeit. Es gilt, die Arbeitsstunden klar zu begrenzen und Pausen strikt einzuhalten. Phasen der Erholung verschwenden keine Zeit, sondern beseitigen Hindernisse, weil Kreativität frei wird.

Innere Ordnung setzt äußere Ordnung voraus, heißt es im Kloster. Papier- und E-Mail-Berge sind folglich tabu. Bei jeder Aufgabe sollte sofort entschieden werden, ob sie direkt oder später (Zeitpunkt festlegen!) erledigt wird, ob sie sich delegieren lässt oder in den Abfallkorb fliegt.

Zu den elementaren Regeln des klösterlichen Alltags gehört es, den Körper zu achten. Ordensleute legen sehr großen Wert auf ein ausgewogenes Verhältnis von geistiger und körperlicher Tätigkeit. Um diesem Vorbild zu folgen, reicht ein wenig Bewegung im Alltag vollkommen aus. Gehen Sie Treppen, statt den Aufzug zu nehmen. Vermeiden Sie Autofahrten, wenn sich die Sache zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen lässt. Gönnen Sie sich nach jedem Essen einen Spaziergang.

Zum klaren Ablauf gehören im Kloster unverrückbare Tischzeiten, und zwar drei Mal täglich (meist um 7, 12 und 18 Uhr). Das Schweigen beim Essen zählt zu den Selbstverständlichkeiten. Auch für Nonnen und Mönche besonders hart: Zwischenmahlzeiten gibt es nicht. In den Klöstern haben Ordensmitglieder und Gäste keinen Zugang zum Kühlschrank, um sich einen Happen zu erlauben. Sie setzen sich daher auch mit Appetit an den Tisch.

Wer etwas von dieser Esskultur übernehmen möchte, sollte Störfaktoren wie Fernseher, Radio und Telefon ausschalten. Das Essen beginnt und endet für alle am Tisch zur gleichen Zeit. Und: Jeder sollte einen Beitrag leisten, sei es beim Kochen, beim Tischdienst oder beim Abwasch. Ganz wie im Kloster eben.