Mehr Dicke, mehr Diabetes, mehr Psycho-Stress
Berlin (dpa) - Fast jeder vierte Deutsche ist deutlich zu dick. Mehr Fettleibigkeit, mehr Diabetes und nicht genügend Sport - in punkto Gesundheit ist den Deutschen im Vergleich zu 1998 noch keine Trendwende gelungen.
Diese Ergebnisse aus dem zweiten bundesweiten Gesundheitssurvey für Erwachsene (DEGS) hat das Robert Koch-Institut am Donnerstag in Berlin präsentiert.
Knapp ein Viertel der Männer und Frauen ist demnach mit einem Body-Mass-Index von über 30 fettleibig. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sagte, angesichts dieser Zahlen müssten auch Präventionsmaßnahmen der Krankenkassen hinterfragt werden. Es gelte, mehr Menschen davon zu überzeugen, dass sich gesundheitsbewusstes Verhalten lohne - „aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger“.
Bärbel-Maria Kurth vom Robert Koch-Institut (RKI) nannte die Ergebnisse zum Übergewicht „eine ernüchternde Erkenntnis“. Einen so hohen Prozentsatz an gefährlicher Dickheit habe sie nicht erwartet. „Das ist kein Schönheitsaspekt mehr. Da geht es um mögliche Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und Herz-Kreislaufprobleme.“
Insgesamt bringen in Deutschland zwei Drittel der Männer und mehr als die Hälfte aller Frauen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von über 25 zu viele Kilos auf die Waage. Damit ist der Trend zum Übergewicht im Vergleich zu früheren Studien kaum zurückgegangen. Ein Viertel der Befragten ist mit einem BMI über 30 aber inzwischen fettleibig - und das ist neu. Der BMI berechnet sich aus dem Gewicht in Kilo geteilt durch das Quadrat der Körperlänge in Metern.
Die Folgen des Übergewichts, das oft mehr Menschen aus unteren sozialen Schichten trifft, sind gut erforscht. Wie in anderen Wohlstandsländern auch wächst die Zahl der Diabetiker: 7,2 Prozent der Erwachsenen leiden an der Stoffwechselerkrankung (1998: 5,2 Prozent), zumeist am erworbenen Typ 2-Diabetes. Frauen sind verstärkt betroffen (7,4 Prozent).
Deutlich zugelegt haben auch psychische Beschwerden: Fast jeder vierte Mann und etwa jede dritte Frau gaben an, zumindest zeitweise unter ausgeprägten psychischen Störungen gelitten zu haben. Depressionen sind dabei vor allem bei Menschen aus niedriger Bildungs- und Einkommensschicht verbreitet. Ihre ersten Schlussfolgerungen formulieren die Forscher aber sehr vorsichtig. „Es gibt Hinweise, dass bei bestimmten psychischen Störungen gewisse Zunahmeeffekte zu erwarten sind“, sagt Hans-Ulrich Wittchen von der TU Dresden ein. „Das ist aber sicherlich keine Epidemie der Depression“.
Und es gab auch positive Trends: So nahm in Deutschland die Zahl der leicht übergewichtigen Menschen ab, auch schrumpfte die Menge der absoluten Bewegungsmuffel. „Insgesamt scheint das Sportniveau in Deutschland in den letzten Jahren gestiegen zu sein“, heißt es im Survey. Rund drei Viertel der Männer und fast zwei Drittel der Frauen zwischen 18 und 79 Jahren gaben an, mindestens einmal pro Woche körperlich aktiv zu sein. Das sind bei Männern immerhin 13 Prozentpunkte, bei Frauen sogar 16 Prozentpunkte mehr als 1998.
An das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Pensum von 2,5 Stunden anstrengender Bewegung pro Woche kommen vier Fünftel der Deutschen jedoch nach wie vor nicht heran.
Für die Studie wurden von 2008 bis 2011 Gesundheitsdaten von 8152 Erwachsenen erfasst - knapp die Hälfte davon war auch schon bei der ersten Erhebung 1998 dabei, so dass das Alter der Teilnehmer nun zwischen 18 und 91 Jahren lag. Die Stichproben waren so gewählt, dass sowohl Längs- als auch Querschnitte möglich waren.