Mind-Body Medicine: Yoga statt High-Tech-Operationen
Berlin (dpa) - Krankheiten nicht als technisches Problem begreifen, sondern den ganzen Menschen sehen - das fordern die Vertreter der Mind-Body Medicine, die auch in Deutschland auf dem Vormarsch ist. Entspannung und gesundes Essen gelten als kostengünstiger Schlüssel zum Erfolg.
Meditation, Yoga und Thai-Chi statt High-Tech-Operationen: Zunehmend ist die aus den USA stammende Mind-Body Medicine (Körper-und-Geist-Medizin) auch in Deutschland auf dem Vormarsch. Nach diesem Konzept sollen Bewegung, Entspannungstechniken und gesunde Ernährung zu seelischem und körperlichem Wohlbefinden verhelfen und teure Operationen überflüssig machen. Aus Sicht des Berliner Spezialisten für Naturheilkunde, Prof. Dr. Andreas Michalsen, sind die Erfolge „unglaublich groß“. Die Methoden müssten aus seiner Sicht aber noch stärker etabliert werden. „Dann wäre viel mehr Gesundheit in Deutschland möglich“, erklärte der Chefarzt des Zentrums für Naturheilkunde und der Tagesklinik für Mind-Body-Medicine am Berliner Immanuel Krankenhaus.
Große Krankenkassen wie TK und AOK hätten längst Interesse an diesen Behandlungsformen gezeigt, die teilweise aus der traditionellen asiatischen Medizin stammen. Schließlich würden 70 Prozent der Behandlungskosten in Deutschland durch chronische Krankheiten verursacht. Und dafür seien die Krankenhäuser nicht gut aufgestellt. „Die können hervorragend operieren und einen Herzinfarkt kathetern, aber wenn jemand mit chronischen Rückenschmerzen, nicht mehr behandelbarem Bluthochdruck oder Rheuma kommt, dann haben die Krankenhäuser eigentlich kaum wirksame und nebenwirkungsarme Mittel dafür“, so der Internist.
Die Mind-Body Medicine, die vor allem Krankheitsursachen wie Stress und Bewegungsmangel angeht, biete ein „Entchronifizierungsprogramm“, das deutlich günstiger sei als aufwändige Operationen, erklärt Michalsen. Er ist in Deutschland einer der Wegbereiter der Therapieform und wird beim am Freitag (7. Oktober) beginnenden Europäischen Kongress für Integrative Medizin in Berlin über deren Perspektiven und Probleme reden. Die Behandlungsform hat erst vor etwa fünf Jahren in Deutschland Einzug gehalten. Zentren seien Essen und Berlin. Auch in weiteren Städten wie München etabliere sich das Konzept jetzt. Doch in der Gesundheitspolitik mangele es noch an Unterstützung.
Michalsen fordert, dass die inzwischen wissenschaftlich belegbaren Vorteile der Mind-Body Medicine selbstverständlich in bestehende Strukturen integriert werden. „Noch sind wir vor allem auf den guten Willen der Kassen angewiesen“, erklärt er. Es sei auch noch Überzeugungsarbeit bei gesundheitspolitischen Entscheidungsträgern nötig. Auch der Patient sehe den Bedarf meistens noch nicht: „Wenn der Arzt selbst so gestresst ist und nur zwei Minuten Zeit hat, klingt es unglaubwürdig, wenn er ihnen empfiehlt, zu entspannen.“
„Wir gehen nicht davon aus, dass alle Krankheiten mit Mind-Body Medicine für immer geheilt werden“, schränkt Michalsen, der eine Stiftungsprofessur für Naturheilkunde an der Berliner Charité in Kooperation mit dem Immanuel Krankenhaus innehat. Durch das Konzept, das die Krankheit nicht nur als technisches Problem und den Mensch nicht als Maschine begreife, sondern das auch den Lebensrahmen sehe, könne der Mensch aber dazu befähigt werden, sich besser um sich selbst zu kümmern.
Michalsen, der in seiner Tagesklinik seit einem Jahr den Patienten unter anderem mit Yoga, Meditation und gesundem Essen hilft, warnt vor schnellen Erfolgserlebnissen: „Es gibt keine Blitzheilungen. Eine Krankheit, die sich über Jahre aufgebaut hat, kann nicht durch eine Meditation oder eine Yoga-Stunde geheilt werden. Aber ohne Mind-Body Medicine werden wir kaum die dramatisch zunehmenden chronischen Krankheiten bezahlbar in den Griff kriegen.“