Nicht jedem Label trauen - Beim Thema Tierwohl kritisch bleiben

Berlin (dpa/tmn) - Tierschutz ist vielen Verbrauchern laut einer aktuellen Umfrage wichtig: Fast die Hälfte gibt an, beim Kauf auf entsprechende Standards zu achten. Drei Viertel legen Wert auf Tierschutzangaben auf der Packung.

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Doch nicht jede hält, was sie verspricht.

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Die Idee klingt gut: ein Label für mehr Tierschutz. Auf einen Blick soll es zeigen, ob das im Kühlregal angebotene Fleisch artgerecht erzeugt wurde. Seit einem guten Jahr sind Produkte mit den zwei verschiedenen Zeichen vom Deutschen Tierschutzbund und der Tierschutzorganisation Vier Pfoten im Handel. Auf der Verbrauchermesse Grüne Woche in Berlin (17. bis 26. Januar) zog der Tierschutzbund an diesem Freitag eine erste positive Bilanz zu seinem Label.

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Der Marktanteil der Geflügelprodukte mit dem Label „Für mehr Tierschutz“ sei zwar noch im unteren Prozentbereich, sagte Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder. Aber der Markteintritt sei gelungen. 44 Geflügelerzeuger sind nach den Kriterien der Einstiegsstufe zertifiziert. Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte schon im Vorfeld der Grünen Woche von einem „bedeutenden Schritt für mehr Tierschutz im Stall“ gesprochen.

Bei Produkten aus Schwein sei die Umstellung auf mehr Tierschutz schwieriger, erläuterte Schröder. Bislang haben 14 Mastschweinebetriebe das Label der Einstiegsstufe, zwei weitere arbeiten auf dem Niveau der sogenannten Premiumstufe. Nur sie ist laut Schröder wirklich tiergerecht.

Verbraucherschützer begrüßen die Idee der Tierschützer zwar, kritisieren aber die Siegelflut, der Kunden sich inzwischen gegenüber sehen. Denn neben dem Label vom Tierschutzbund und dem Zeichen „Tierschutz-kontrolliert“ von Vier Pfoten gibt es noch etliche andere Zeichen und Siegel auf Fleischprodukten.

Ein weiteres Problem benennt Harald Seitz vom Verbraucherinformationsdienst aid, der vom Ernährungsministerium gefördert wird: Oft sei mangelnder Tierschutz auch ein Managementproblem auf dem Bauernhof. „Wie sieht das Fell eines gesunden Tieres aus? Wie seine Klauen? Wie der Boden? Angehende Landwirte lernen das in ihrer Ausbildung nicht in ausreichendem Maße“, beklagt Seitz. Es nütze daher nichts, wenn der Verbraucher sage: „Ich will mehr Tierschutz“, der Landwirt aber nicht wisse, wie das funktioniert. An diesem Punkt setzen aber die Tierschutz-Label an. Denn sie holen die Bauern mit ins Boot und beraten sie, wie sie ihre Betriebe auf mehr Tierwohl umstellen können.

„Die Label des Deutschen Tierschutzbundes und von Vier Pfoten sind nahezu gleichwertig“, urteilt Christiane Kunzel, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Beide Organisationen haben das Ziel, das Tierwohl erheblich zu verbessern.“ So gibt es bei beiden Siegeln zwei Stufen. Schon die Einstiegsstufe schreibe wesentlich mehr tiergerechte Haltung vor als vom Gesetzgeber vorgesehen. Sie sei aber trotzdem nur ein erster Schritt. Das betonen die beiden Label-Anbieter aber auch ausdrücklich.

„Von den Kriterien her sind sie sehr ähnlich, die Unterschiede liegen im Detail“, erläutert Kunzel. Bei Vier Pfoten gibt es bei beiden Stufen etwa die Anforderung, dass ein schlachtreifes Hähnchen mindestens 56 Tage alt sein muss. Die „Ein Stern“-Einstiegsstufe ist aber nur als Kompromiss zu sehen, der auch Ansätze in der konventionellen Landwirtschaft unterstützt, die in Richtung mehr Tierwohl gehen. Stufe zwei, als Premiumstufe oder „Drei Sterne“ bezeichnet, sieht darüber hinaus zum Beispiel vor, dass die Hühner Auslauf im Freien haben.

Wie Tierschützer Schröder betont auch Verbraucherschützerin Kunzel, dass erst Stufe zwei artgerechter Tierhaltung entspricht: „Das geht auch in Richtung der Vorgaben der Bioverbände und ist etwas, wo auch wir sagen: Das ist artgerecht.“ Wie Schröder bedauert sie aber, dass es zwei derartige Label gibt. Das sei für Verbraucher sehr verwirrend und daher nur die zweitbeste Lösung. Besser sei ein einheitliches Siegel, für das der Staat die Kriterien festlegt. Allerdings würden beide Zeichen unabhängig vergeben - das ist viel wert.

Denn darüber hinaus gibt es Zeichen von Anbietern in Deutschland, die Verbraucherschützer „wesentlich kritischer“ sehen, wie Kunzel sagt. Dazu gehört zum Beispiel im Rahmen der geplanten „Initiative Tierwohl“ der Fleischbranche das QS-Siegel, mit dem die Branche Qualität und Sicherheit im gesamten Produktionsprozess sichern will. Laut Kunzel gibt es dazu aber wenig Informationen. Es sei für Verbraucher nicht erkennbar, wofür es steht - und daher wenig nützlich, kritisiert sie.

Darüber hinaus existieren Siegel etwa von Firmen, die unter anderem Schlachthöfe betreiben. Diese Label versuchen laut Kunzel, dem Verbraucher zu suggerieren, bei ihren Schlachtungen ginge es artgerecht zu. Doch selbst wenn die Tiere kurz vor ihrem Tod etwas tierfreundlicher behandelt würden, könne man nicht sagen, dass das Fleisch artgerecht erzeugt worden sei.

Außerdem finden Verbraucher im Handel die Produkte sogenannter Markenfleischprogramme. „Es gibt bessere und es gibt schlechtere“, sagt Kunzel hierzu. Dabei handelt es sich um Zusammenschlüsse einiger Landwirte, die ihr Fleisch vermarkten wollen. Auch das Neuland-Programm, das sich durch tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung auszeichnet, fällt in diese Kategorie.

Bleibt also nur der Griff zu Bioware? „Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass Bio besser ist als die Premiumstufe bei den beiden Tierwohl-Labels“, sagt Kunzel. Denn bei Bio sei Tierhaltung nur ein Punkt, neben der ökologischen Erzeugung der Futtermittel beispielsweise. „Wenn jemand Bio kauft, dann weil er die ganze Art und Weise der Landwirtschaft unterstützt und nicht nur eine bestimmte Tierhaltung.“

Das neue Regionalfenster, das derzeit bundesweit eingeführt wird, bietet Verbrauchern auch keine echte Orientierung in Sachen Tierschutz. Es steht nicht für bestimmte Tierhaltungs- und Umweltstandards oder ökologische Erzeugung.

„Die Vielfalt der Label bleibt“, resümiert Kunzel. Ein staatliches Siegel zum Tierwohl sei wünschenswert, werde es aber auf absehbare Zeit nicht geben. Sie rät Verbrauchern daher, jedes Zeichen auf einem Fleischprodukt zu hinterfragen und sich zu erkundigen, welche Kriterien dahinterstecken. Um es genau zu erfahren, müsse man leider sehr viele Informationen einholen.

Grundsätzlich sinnvoll sei aber, sich am EU-Öko-Siegel oder dem Bio-Siegel zu orientieren und über den eigenen Fleischkonsum nachzudenken. Wer diesen reduziere, ernähre sich nicht nur gesünder, sondern könne sich dann auch mal ein teueres, aber dafür artgerecht oder ökologisch erzeugtes Stück Fleisch leisten.