Ostprodukt mit Westerfolg - Bautz'ner Senf setzt auf Region
Bautzen (dpa) - Mit einem ohrenbetäubenden Geräusch zermalmt die Stiftmühle den Gelben und den dunkleren Orient-Senf zu einem groben, ockerfarbenen Mehl. Werksleiter Michal Bischof beobachtet den Prozess in der hochmodernen „Senfküche“ der Bautz'ner Senf & Feinkost GmbH mit Kittel und Haube.
Automatisch machen sich die gesäuberten Senfkörner aus den Lagersilos auf ihren Weg. „Jeder vierte Senf, der in Deutschland gekauft wird, stammt aus unserer Produktion“, sagt der 37-Jährige.
Der gebürtige Bautzener leitet seit einem Jahr den ostdeutschen Ableger des bayerischen Develey-Familienunternehmens in Unterhaching bei München. In seiner Kindheit befand sich die Essigproduktion des Senfbetriebes noch mitten in der Spreestadt. „Ich erinnere mich noch, wie sauer es in der Straße roch“, sagt er. Die Produktion der gelben Würzpaste wanderte allerdings schon 1972 vor die Tore der Stadt Bautzen und liegt seitdem im Ortsteil Kleinwelka.
Nur einen Steinwurf entfernt vom Betrieb wächst der Senf auf Feldern. Nach der Ernte im August wird er hier gleich verarbeitet. „Die Erträge von Partnern aus der Nähe reichen leider noch nicht. Wir bekommen derzeit unsere Saat auch noch aus Mecklenburg-Vorpommern, Kanada und Osteuropa“, erklärt Bischof. Er hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesteckt: Bis 2020 will das Unternehmen nur noch mit regionalen Erzeugern zusammenzuarbeiten, um CO2-neutral zu produzieren.
Bereits seit etwa zehn Jahren testen die Landwirte in der Lausitz den heimischen Senfanbau. 25 Mitglieder zählt die Erzeugergemeinschaft. Einer von ihnen ist Johannes Wessela aus Crostwitz im Landkreis Bautzen. Seit acht Jahren züchtet er auf 30 Hektar Fläche die der Rapspflanze verwandte Senfsaat. In diesem Jahr stehen die Pflanzen gut. „Senf ist eine Mimose. Er mag es nicht zu warm, zu kalt, zu feucht oder zu trocken“, sagt er. Zwischen 100 und 500 Tonnen ernten die Senfbauern jedes Jahr rund um Bautzen.
Für seine Senfproduktion braucht das Bautzener Unternehmen aber mehr als 3000 Tonnen Saat. Mehr als 15 000 Tonnen Senf aller Geschmacksrichtungen liefen 2014 vom Fließband. Nach aktuellen Angaben des Marktforschungsinstituts Nielsen steht Lausitzer Senf in 70 Prozent aller ostdeutschen Haushalte. Die Rezeptur für den Mittelscharfen ist seit 1953 unverändert. Neben den Senfsaaten und dem Kräuter-Aroma-Mix gehören noch Essig, Wasser, Zucker und Salz in die Paste.
Jeder Senfhersteller variiert seine Zutaten. „So schmeckt jeder Senf nach Heimat“, sagt Bischof. Die Bayern mögen die süße Variante, der Dijon- Senf bekommt seine feine Schärfe durch die braune Senfsaat. Dem Bautz'ner Senf verleiht ein Hauch Meerrettich die spezielle Note. Die anderen Geheimnisse behält der Werksleiter für sich.
Für die Komposition erhielt das Produkt aus Bautzen beim jüngsten Test der Stiftung Warentest ein „Gut“. Druckluft befördert das gelbe Senfsaatmehl über dicke Edelstahlleitungen in Ansatzbehälter. Dort kommen Wasser, Salz und Zucker und später auch der Aromamix dazu. Drei Tonnen gelbe Maische drehen sich 45 Minuten im Kreis, danach quillt der Brei nochmals eine Stunde. Erst dann kommt das Gemisch in eine der sechs feinen Senfmühlen.
650 Kilogramm stößt jede dieser Hightech-Maschinen pro Stunde aus. Um die Schärfe zu erhalten, muss die Paste sofort auf 23 Grad heruntergekühlt werden. Aus dem Haus geht der meiste Senf in kleinen Plastikbechern mit dem blauen Deckel. 30 Millionen Stück laufen pro Jahr durch den Abfüllautomaten - vier Tonnen Senf pro Stunde. Derzeit arbeiten die 59 Beschäftigten in zwei Schichten, aber schon im September kommt eine dritte hinzu. „Dann decken sich die Leute für Weihnachten ein“, erklärt Bischof.