Psychische Störungen bei Männern bleiben oft unerkannt
Berlin (dpa/tmn) - Seelische Leiden bei Männern werden oft nicht erkannt oder nur unzureichend behandelt, zeigt der aktuelle Männergesundheitsbericht. Anders als Frauen reagieren Männer häufig mit Alkohol und Aggressivität auf Depressionen.
Psychische Erkrankungen bei Männern werden häufig unzureichend diagnostiziert und behandelt. Das ist das Fazit des Männergesundheitsberichts 2013. Nach Aussage der Forscher werden männerspezifische seelische Störungen in weiten Teilen der Medizin und des öffentlichen Bewusstseins bisher kaum beachtet. Das habe etwa dazu geführt, dass die Anzahl der Selbsttötungen bei Männern in den letzten Jahren drastisch gestiegen ist.
Die Suizidrate ist ein Hauptindikator für psychische Gesundheit. Bei Männern liegt sie derzeit dreimal höher als bei Frauen. Als Ursachen nennen die Experten unter anderem höhere Belastungen im Beruf und eine wachsende Gefahr des sozialen Abstiegs. Diese Schwierigkeiten beträfen mehr Männer als Frauen, da der Anteil der Vollzeitbeschäftigten bei Männern deutlich höher liege.
Die Ursache des Problems liege aber noch tiefer. „Wir haben es mit einem gesellschaftlichen Problem zu tun. Männer werden selbst dann noch als handlungsmächtig angesehen, wenn sie in Not sind“, sagt der Männerforscher Matthias Stiehler. Noch immer dominiere das Klischee des starken Mannes. Körperliche und seelische Leiden würden
tabuisiert. Außerdem tendierten Männer dazu, Krankheitssymptome zu verharmlosen und Probleme allein zu lösen, statt darüber zu sprechen.
Leidet ein Mann an einer Depression, äußert sich das oft anders als bei einer erkrankten Frau. Typische Symptome wie tiefe Traurigkeit, Interessenverlust und Antriebslosigkeit wehre ein Mann oft durch „typisch männliches“ Stressverarbeitungsverhalten ab, sagt Prof. Anne Maria Möller-Leimkühler von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität München. Dazu zähle zum Beispiel der vermehrte Konsum von Alkohol, erhöhte Aggressivität und Hyperaktivität.
Hat ein Mann eine Depression, kann es Möller-Leimkühler zum Beispiel sein, dass er exzessiv Sport treibt oder sich in Arbeit, Sex oder Onlineaktivitäten stürzt, um sich von seinen seelischen Beschwerden abzulenken. Auch riskantes Autofahren könne ein Hinweis sein. „Er ist aber dadurch nicht ausgefüllt, nicht befriedigt, sondern steht weiterhin unter Druck“, erläutert die Expertin. Der Betroffene sei auch physiologisch nicht mehr in der Lage, sich zu entspannen, weil sein Cortisolspiegel dauerhaft hoch sei. Der Körper schüttet das Hormon vermehrt aus, wenn ein Mensch unter Stress steht.
Bemerken Angehörige oder Freunde, dass ein Mann sich zunehmend aggressiv verhält oder sich zurückzieht, sollten sie ihn aber nicht direkt auf psychische Probleme ansprechen, rät Möller-Leimkühler. „Das erzeugt eine Abwehrhaltung.“ Besser sei es, ihn über das Thema Stress, die Unfähigkeit zum Entspannen oder körperliche Symptome wie Rücken- oder Kopfschmerzen zu erreichen. Diese Dinge seien positiver besetzt.
Geht der Mann deswegen dann zu einem Allgemeinarzt, komme es darauf an, dass dieser die richtigen Fragen stellt und wahrnimmt, dass hinter den körperlichen Beschwerden ein seelisches Problem steckt. Depressionen gelten im Allgemeinen als gut behandelbar. Unerkannt und nicht behandelt können sie dagegen im schlimmsten Fall im Suizid münden.