Reinen Wein bloggen: Winzer tummeln sich im Netz
Mainz (dpa) - Online-Tagebücher haben Hochkonjunktur. Auch in der Weinbranche gibt es eine Reihe kreativer Köpfe, die mit ihren Blogs für Furore sorgen. Dahinter steckt viel Arbeit - aber auch die Chance auf neue Kunden.
Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) „schenkt Rotwein aus ... aber leider den falschen“, schreibt Dirk Würtz in seinem Online-Tagebuch. Er ärgert sich darüber, dass Bundespolitiker öffentlich ausländischen Wein kredenzen. Mehr als 20 Mal wird sein Beitrag kommentiert, nicht jeder ist seiner Meinung. Das passt Würtz gut in den Kram: „Es ist der Austausch und die Auseinandersetzung mit anderen, was das Bloggen so interessant macht“, sagt er.
Weblogs, abgekürzt Blogs, sind die Tagebücher der Neuzeit. Eine einfache und ansprechende Möglichkeit, sich öffentlich im Internet mitzuteilen. Längst hat das Blogging-Fieber auch die deutschen Weinberge erreicht. Winzer, Weinkenner und -liebhaber schreiben täglich Beiträge rund um den begehrten Rebsaft. Das Online-Informationsportal wikio zählte im Februar 93 deutschsprachige Blogs, die sich mit Wein beschäftigen.
Frank Schulz vom Deutschen Weininstitut (DWI) in Mainz spricht von 20 bis 30 ernstzunehmenden Seiten. „Das Thema ist in Deutschland erst am Anfang, birgt aber ein riesiges Potenzial“, erklärt er. Unter den Online-Tagebüchern gebe es bereits welche, die täglich rund 2000 Leser erreichten. Zu den erfolgreichsten deutschen Wein-Blogs gehörten „Nikos Weinwelten“ (Berlin) und „The Drink Tank“ (Hamburg). Auch in Rheinland-Pfalz gibt es einige bekannte Blogger: Andreas Kaul aus Hackenheim im Kreis Bad Kreuznach, Harald Steffens aus Reil an der Mosel und Dirk Würtz aus Gau-Odernheim im Kreis Alzey-Worms.
„Würtz hat eine steile Klick-Karriere hinter sich“, erzählt DWI-Mitarbeiter Schulz. Seit 2008 schreibt der Blogger fast jeden Tag mindestens einen Beitrag auf seinem Blog, mittlerweile haben sich rund 800 Artikel angesammelt. Zwei Stunden investiert der Weinmacher im Schnitt täglich für seinen Blog. Er stellt auch Videos ins Netz und hat eine Live-Show mit mehreren Folgen entwickelt.
„Wer selbst keine Zeit für umfassende Online-Aktivitäten hat, der sollte zumindest Kontakt mit den Bloggern halten“, empfiehlt Schulz Händlern und Winzern. Da es viele Blogger gebe, die Weine testeten und bewerteten, könne ein positives Resümee neue Kunden anlocken. Nach den Worten von Würtz berichten Händler auch schon mal von leergeräumten Regalen, wenn der Wein zuvor im Netz besprochen wurde.
Schulz glaubt, dass die Reichweite und mediale Schlagkraft von Bloggern unterschätzt wird: „Blogger können Winzern zu mehr öffentlicher Aufmerksamkeit verhelfen.“ Da sich Journalisten gerne Ideen auf Blogs holten, sei die Chance groß, dass ein Blog-Thema von Fachmedien oder Zeitungen aufgegriffen werde. „Die Rücklauf-Quote bei digitaler PR-Arbeit ist deutlich höher als bei klassischen Medien.“
Geld verdient Würtz mit seinem Online-Engagement nicht. Doch der Winzer, der vornehmlich ins Ausland exportiert, konnte seine Bekanntheit in Deutschland steigern. Dies habe auch seinem Online-Shop gut getan. Würtz ist sich sicher: „In einigen Jahren wird der Großteil des Umsatzes im Internet gemacht.“
Schon jetzt, erklärt Schulz, verkauften einige Weinerzeuger 30 Prozent ihrer Weine über das Internet. Er empfiehlt deshalb jedem, den Schritt ins Netz zu wagen. Doch er rät auch: „Jeder sollte genau überlegen, welche Plattformen er nutzen will und auch kann. Denn ein Blog macht nur Sinn, wenn man ihn jeden Tag mit Beiträgen füttert.“