Schlafmittel mit Benzodiazepinen nicht zu lange nehmen

Berlin (dpa/tmn) - Für Menschen mit Schlaflosigkeit sind pharmazeutische Schlafmittel zunächst ein Segen. Denn dank ihrer Wirkung kommen Betroffene nachts endlich wieder zur Ruhe. Enthalten die Mittel jedoch Benzodiazepine, können sie schnell abhängig machen.

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Wie in Watte gepackt: So beschreiben Menschen oft das Gefühl, wenn sie über längere Zeit Schlaf- und Beruhigungsmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine nehmen. Grundsätzlich seien diese Medikamente hochwirksam und bei psychiatrischen Erkrankungen sehr hilfreich, erläutert Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer. Aber aufgrund ihres Wirkmechanismus' hätten sie ein hohes Abhängigkeitspotenzial und sollten daher nicht länger als vier Wochen eingesetzt werden.

Die Mittel wirken zentral im Gehirn als Angstlöser und Beruhigungsmittel. Schätzungen zufolge sind 1,2 Millionen Menschen in Deutschland von Benzodiazepinen abhängig, viele von ihnen sind älter als 70 Jahre. Oft organisieren sich die Betroffenen Kiefer zufolge Rezepte über verschiedene Ärzte, damit der Missbrauch niemandem auffällt. Meist sind sie Niedrigdosisabhängige: Sie brauchen nur eine halbe Tablette am Tag, weil die Mittel so wirksam sind.

„Der Missbrauch ist nicht tödlich“, sagte Kiefer anlässlich einer Pressekonferenz zu einem Modellprojekt der Apotheker- und Ärzteschaft gegen Missbrauch von Benzodiazepinen. „Aber er ist schädlich, weil er unerwünschte Wirkungen hat.“ Ein Drittel bis die Hälfte aller Oberschenkelhalsbrüche passiere aufgrund einer Niedrigdosisabhängigkeit. Denn wer ein solches Mittel dauerhaft nimmt, ist auch tagsüber schläfrig, unkonzentriert und hat eine geringe Muskelspannung: Stürze und damit Knochenbrüche sind gerade bei älteren Menschen programmiert.

Weitere Merkmale einer Abhängigkeit sind Gedächtnisverlust, sozialer und emotionaler Rückzug und Abgestumpftheit. Wer sie nimmt, fürchtet oft, dass Angst und Unruhe zurückkehren, wenn er sie absetzt. „Die Ängste beim Entzug werden völlig überschätzt und der Vorteil der Abstinenz wird unterschätzt“, betont Kiefer. „Man sollte prüfen, ob das Watte-Gefühl an den Medikamenten liegt und nicht an einem selbst.“

Sorgen sich Patienten oder Angehörige, dass eine Abhängigkeit besteht, rät der Kammerpräsident, zunächst in der Apotheke zu fragen, ob das aktuell genommene Mittel tatsächlich zu den Benzodiazepinen gehört. „Diese Mittel sollten niemals auf eigene Faust abgesetzt werden, denn das führt oft zu einer Wirkumkehr: Es kann zu Zittern, Angst und Depressionen kommen“, warnt er. Daher sollte mit einem Arzt ein Abdosierungsplan erstellt werden. „Man kann es in drei Monaten schaffen, davon loszukommen.“

Besorgten Angehörigen empfiehlt Kiefer, das Thema behutsam anzusprechen, nach dem Motto: Oma, ich möchte, dass du mir wieder besser zuhören kannst. Opa, ich wünsche mir, dass du tagsüber nicht so schläfrig bist und wieder sicherer auf den Beinen stehst. Wenn du die Tabletten nicht nimmst, geht es dir besser. Keinesfalls sollten Verwandte den Arzt infrage stellen, der die Mittel verordnet hat. Damit bringe man den Patienten nur gegen sich auf und dieser fühle sich erst recht nicht veranlasst, die Mittel nicht mehr zu nehmen.