Sekundäres Lymphödem: Die Krankheit nach der Krankheit

Heidelberg (dpa/tmn) - Bei Krebs sind häufig schwerwiegende Behandlungen nötig. Manchmal fordern sie ihren Tribut: Werden Lymphknoten entfernt oder Lymphgefäße beschädigt, können Lymphödeme entstehen.

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Die Operation ist längst überstanden, in den Nachsorgeuntersuchungen wurden keine neuen Krebszellen gefunden. Doch dann wird der Arm auf der Seite der betroffenen Brust schwer und schwillt langsam an. Typische Symptome für ein sekundäres Lymphödem.

„Ein Lymphödem ist eine krankhafte Veränderung, bei der sich Lymphflüssigkeit im Gewebe und in den Gewebezwischenräumen anstaut, weil der Lymphabfluss gestört ist“, sagt Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes beim Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Wichtigste Ursache sind Weg-Remers zufolge Krebserkrankungen und -behandlungen.

Durch Operationen, bei denen Lymphknoten und angrenzendes Gewebe entfernt werden, durch Strahlentherapie oder Lymphknotenmetastasen können Lymphabflusswege zerstört werden. Am häufigsten treten Lymphödeme an den Gliedmaßen auf: nach Brustkrebsoperationen typischerweise am Arm, nach Operationen am Unterleib, an den Beinen.

Etwa zwei bis drei von zehn Brustkrebspatientinnen sind im Zuge ihrer Erkrankung von sekundären Lymphödemen betroffen, erklärt Weg-Remers. Weil zunehmend schonender operiert werde, sei die Fallzahl bei Krebspatienten aber insgesamt rückläufig, sagt Prof. Oliver Rick, Sprecher der Arbeitsgruppe Onkologische Rehabilitation der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG).

Schwere, Spannungsgefühl, Schmerzen und eine beginnende Schwellung können die ersten Symptome eines Lymphödems sein. Sie treten meist erst Wochen oder Monate nach einer Krebsoperation auf. Das Tückische: Hat sich erst einmal ein Lymphödem gebildet, geht es nicht von allein wieder weg, sondern verschlimmert sich stetig.

Bei Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe produziert der Körper eine spezielle Zucker-Eiweiß-Verbindung, das Proteoglykan. Es ist in der Lage, sehr viel Flüssigkeit aufzunehmen. Sammelt sich durch den gestörten Lymphabfluss aber immer mehr an, kehrt sich der eigentlich positive Regulierungseffekt ins Negative um, erklärt Prof. Manuel E. Cornely, Chefarzt der CG Lympha Praxisklinik für Operative Lymphologie in Köln. „Das Proteoglykan lagert sich als schwammartige Masse ab. Gleichzeitig wird immer mehr Eiweiß gebildet.“

„Unbehandelt ist das ein Teufelskreis“, sagt Weg-Remers. Ein fortschreitendes Lymphödems kann die Beweglichkeit, Eigenversorgung und berufliche Tätigkeit gefährden. Erste Anzeichen eines sekundären Lymphödems sollten daher vom Arzt untersucht werden.

Betroffene benötigen eine sogenannte komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE). „Das ist ein umfassendes Therapieprogramm aus mehreren Komponenten“, erläutert Rick. Zum einen ist das eine manuelle Lymphdrainage, zum anderen die Kompressionsbehandlung mit Bandagen und Kompressionsstrümpfen. So sollen die gestaute eiweißreiche Ödemflüssigkeit abgeleitet und Gewebsveränderungen verhindert werden. Die Therapie muss in der Regel dauerhaft erfolgen. „Das bedeutet ein lebenslanges Tragen der Kompressionsbestrumpfung, manchmal ergänzt durch eine Erhaltungslymphdrainage“, sagt Rick.

Operationen, die versuchen, den unterbrochenen Lymphabfluss durch einen Bypass ähnlich wie bei Herz-OPs wieder herzustellen, sind kompliziert. Die Lymphgefäße sind so fein wie ein Haar, und wenn sich das Gewebe schon verändert hat, helfen sie nicht, erklärt Cornely. Eine Alternative ist das schonende Absaugen des Gewebes aus Proteoglykan. Patienten, die sich dafür entscheiden, müssen die Kosten allerdings selbst tragen. „Die wissenschaftliche Datenlage zur Wirksamkeit operativer Verfahren ist bisher dünn“, sagt Weg-Remers.