Studie: Die Deutschen sind zu dick – wer schlau ist, bleibt schlank

Laut der "Nationalen Verzehrstudie" sind immer mehr Bundesbürger übergewichtig, jeder fünfte ist gar fettleibig. Und: Je weniger gebildet, desto dicker.

Berlin. Die Deutschen sind zu dick, Hauptschüler bringen wesentlich mehr auf die Waage als Abiturienten, der Anteil der krankhaft fettleibigen (Adipositas) Frauen ist in der Unterschicht mehr als dreimal so hoch wie in der Oberschicht, und alle wissen viel zu wenig über gesunde Ernährung. Das ist das Ergebnis der "Nationalen Verzehrstudie", die Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch in Berlin vorstellte. Danach sind zwei Drittel der Männer und 51 Prozent der Frauen in Deutschland zu dick. Als zu dick gilt der Studie zufolge ein Body-Mass-Index (BMI) zwischen 25 und 30. Der BMI errechnet sich aus dem Körpergewicht dividiert durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat. So hat z. B. eine Person mit einer Größe von 160 Zentimetern bei einem Körpergewicht von 60 Kilogramm einen BMI von 23,4. Liegt der BMI über 30, spricht man von krankhafter Fettleibigkeit. Das trifft auf jeden fünften Mann zu. Allerdings: Fast zehn Prozent der unter 17-jährigen Mädchen sind zu dünn. Insgesamt hat sich die Zahl der Dicken seit den 80er Jahren fast verdoppelt: In der ersten Verzehrstudie (nur Westdeutschland) hatten 39 Prozent der Männer Übergewicht. Doch das Übergewicht ist kein Ostproblem: Die meisten dicken Männer leben heute in Schleswig-Holstein (44,5 Prozent übergewichtig und 25 Prozent fettleibig), die meisten dicken Frauen bietet das Saarland: Hier liegt der Anteil der Fettleibigen mit 34 Prozent sogar über dem der Übergewichtigen (26 Prozent). Die Studie ergab zudem einen direkten Zusammenhang von Übergewicht und sozialer Herkunft: In der unteren sozialen Schicht liegt der Anteil der Fettleibigen (Männer 24 Prozent/Frauen 35 Prozent) deutlich höher als in der Oberschicht (13 und neun Prozent). Seehofer will nun dem verbreiteten Übergewicht mit einem "Aktionsplan Ernährung" entgegentreten. Denn nur acht Prozent der Deutschen - auch das ergab die Studie - können tatsächlich einschätzen, wie viel Kalorien sie täglich brauchen. Wenn Bundesbürger einkaufen, spielen Geschmack, Frische und Haltbarkeit die wichtigste Rolle - und nicht Gesundheit. Auch die Angst vor Hormonrückständen ist viel größer als die vor falscher Ernährung. Eine "Ampel"-Kennzeichnung von Lebensmitteln wie in Großbritannien lehnte Seehofer allerdings ab.

KOMMENTAR: Unsere Faulheit ist klassenlos

Martin Vogler,Westdeutsche Zeitung
Sind wir ein Volk von Fettwänsten? Ja, offenbar schon. Minister Seehofer hat das festgestellt, in der bislang aufwendigsten Untersuchung dieser Art, die auf den spröden Namen "erste gesamtdeutsche Verzehrstudie" hört. Zwar haben wir irgendwie schon geahnt, dass es um uns ziemlich schlecht gestellt sein dürfte, aber jetzt ist es wissenschaftlich bewiesen: Menschen mit Normalgewicht bilden nur noch eine Minderheit. Männer sind noch schlimmer als Frauen dran. Dafür tendiert das weibliche Geschlecht vor allem in jungen Jahren zu schlimmem Untergewicht. Ganz schön fatal alles. Hinzu kommt ein etwas irritierender gesellschaftspolitischer Aspekt: Wer eine schlechte Bildung hat und weniger verdient, ist statistisch gesehen dicker. Logisch, sagen da viele: Diese Bevölkerungsgruppe ist weniger als andere bereit, sich über gesunde Ernährung Gedanken zu machen. Außerdem müsse sie streng aufs Geld achten, also laufe sie zu den billigen Discountern und nicht zum glücklich machenden Bio-Wochenmarkt. Klar, ein Stück Wahrheit ist an dieser Argumentation dran. Aber eine Entschuldigung für Faulheit - und die ist übrigens klassenlos - darf das nicht sein. Denn die Studie wurde zwar von der Politik initiiert. Lösen kann diese die darin gezeigten Probleme allerdings nicht. Das schafft nur jeder für sich selbst. Es stimmt nämlich nicht, dass man sich mit wenig Geld auch nur minderwertig ernähren kann. Richtig ist hingegen, dass es einfach bequemer ist, eine Dose aufzumachen, statt zum Beispiel frisches Gemüse zuzubereiten. Genauso ist es offenbar gemütlicher, abends mit Chips und Bier vor dem Fernseher zu sitzen, als einen Abendspaziergang zu unternehmen oder sich gar eine Joggingrunde zu gönnen. Wer den inneren Schweinehund überwindet, ist gesund und zufrieden.Es gibt unzählige Möglichkeiten, gesund und fit zu bleiben. Wir müssen uns nur aufraffen. Dazu gehört auch, sich öfter in Familien oder sonstigen Gemeinschaften zu einem selbstgekochten Essen zu treffen. Eine solche entspannte Ernährung ist viel besser als hastiges Runterschlingen von Junk-Food auf der Straße. Ein wenig bewusster zu leben, ist gar nicht so schwer. Wir müssen es nur tun. Und heute damit beginnen - oder doch lieber am Aschermittwoch? martin.vogler@wz-plus.de