Studie: Fischsiegel MSC und FOS sind unzuverlässig
Kiel (dpa) - Fisch kaufen und ein gutes Gewissen haben - das Gütesiegel Verbrauchern ermöglichen. Aber wie viel taugen sie? Das hat das Geomar-Institut in Kiel unter die Lupe genommen - und ist zu einem ernüchternden Ergebnis gekommen.
Überfischte Meere, rabiates Ausräubern von schrumpfenden Beständen wie Seelachs, Makrelen oder Thunfisch - Verbraucher, die das nicht unterstützen wollen, angeln beim Fischkauf oft nach Produkten mit den Gütesiegeln MSC oder FOS. MSC steht für „Marine Stewardship Council“, FOS ist die Abkürzung für „Friend of the Sea“. Beides Zertifikate versprechen, dass die Ware aus einem nachhaltig bewirtschafteten Bestand stammt, von der Fischerei also schonend behandelt wird. „Leider kann man sich auf die Label nicht verlassen“, sagte der Fischereibiologe Rainer Froese vom Geomar-Institut für Ozeanforschung in Kiel am Dienstag (17.4.). Das sei das Ergebnis einer aktuellen Studie des Instituts.
Geomar hatte dafür rund hundert MSC-zertifizierte Bestände und rund dreißig FOS-zertifzierte Bestände überprüft. „Wir haben uns angeguckt, wie groß der Bestand ist und wie stark er befischt wird“, sagte Froese. „Das Ergebnis ist ernüchternd. Nur etwa die Hälfte der MSC-zertifizierten Produkte stammte aus nachweislich gesunden Beständen und wurde nicht zu oft und zu stark, also zu hart befischt. Etwa ein Drittel der zertifizierten Fischbestände war zu klein und wurde gleichzeitig zu hart befischt, so dass sich die Bestände nicht erholen können und schrumpfen. Die übrigen Bestände waren entweder zu klein, oder zu hart befischt, oder es lagen keine belastbaren Informationen vor“, sagte der Experte.
Dass der MSC bei der Studie so schlecht abschneidet, hat Froese zufolge mehrere Gründe: „Wie es dem Fischbestand eigentlich geht, wird bei der Vergabe zu schwach bewertet. Das fließt nur zu rund acht Prozent ein, sonst geht es vor allem um Verwaltung etc..“ Außerdem vergebe nicht der MSC selbst das Siegel, dies werde unabhängigen Firmen überlassen. „Diese Firmen werden oft von den Fischereien bezahlt und haben ein Interesse daran, dass ihre Klienten das Siegel bekommen, auch wenn der Bestand tatsächlich überfischt ist“, kritisierte Froese.
Für die FOS-zertifizerten Produkte fiel das Ergebnis ihm zufolge ebenfalls unbefriedigend aus. Hier hätten oft zu wenig belastbare Informationen vorgelegen, um überhaupt eine Aussage treffen zu können, sagte der Experte. Er forderte: „Die Zertifizierer müssen ihre Kriterien verschärfen und dann auch einhalten. Man darf den Verbrauchern nichts vormachen. Überfischten Beständen muss das Siegel entzogen werden. Ein Beispiel ist Seelachs aus der Nordsee: nach der Zertifizierung schrumpfte der Bestand unter immer stärkerer Befischung. Jetzt ist die Grenze zum Zusammenbruch erreicht, das MSC-Siegel soll aber nicht entzogen werden.“
Die Kritik zeigt Froese zufolge Wirkung: MSC und FOS sei die Studie vorab zugänglich gemacht worden. FOS habe daraufhin drei Beständen sein Siegel entzogen, MSC habe die Zertifizierung von vier Beständen vorübergehend ausgesetzt. Dem widersprach allerdings der MSC: Die Entscheidung habe nichts mit der Studie zu tun, sagte die Sprecherin, Gerlinde Geltinger. Der MSC überprüfe seine Standards regelmäßig und kontrolliere, ob das Siegel zu Recht vergeben wurde. „Wir sind offen für Kritik“, sagte Geltinger zu den Ergebnissen der Geomar-Studie. Das mäßige Abschneiden des MSC habe aber viel damit zu tun, „dass mit unterschiedlichen Definitionen von Grenzwerten gearbeitet wurde, ab wann ein Bestand als überfischt gilt“.
Sollen die Verbraucher beim Fischkauf nun noch auf die Gütesiegel achten? „Ja“, sagt Froese. „Weil trotz aller Fehler der Anteil gesunder Bestände hier höher ist als bei nicht-zertifizierter Ware.“
In Fach- und Umweltschützerkreisen sind das MSC- und das FOS-Label schon länger umstritten, auch weil sie Kriterien wie Fangmethoden nicht berücksichtigten. „Aus unserer Sicht gibt es bei Fisch derzeit kein Siegel auf dem Markt, dem Verbraucher hundertprozentig vertrauen können“, sagte Iris Menn von Greenpeace und Autorin des Buches „Einkaufsratgeber Fisch“, das am Mittwoch in Hamburg vorgestellt werden soll. „Wir haben uns einzelne Fischereien angeguckt, eine Bewertung vorgenommen und entsprechende Empfehlungen für den Fischkauf aufgelistet“, sagte Menn. Berücksichtigt wurde unter anderem, wie gesund ein Bestand ist, ob die Fangmethode ökologischen Schaden anrichtet, ob es Beifang gibt oder illegale Fischerei.