Therapie mit Hund: Mit vier Pfoten gegen Demenz

Mainz (dpa) - Vier Pfoten schaffen mehr als tausend Worte: Marielle hilft ihrem Frauchen bei der Arbeit mit demenzkranken Patienten. Wie ein Eisbrecher wirkt der Hund auf Menschen, bei denen medizinische Standardmethoden sonst nicht greifen.

Wenn Marielle dabei ist, wirkt die demenzkranke Frau wie ausgewechselt: Die Patientin der Mainzer Universitätsklinik lässt sich untersuchen, ohne sich zu wehren, isst und spricht wieder. Marielle ist drei Jahre alt und geht auf vier Pfoten. Sie ist nach den Worten ihres Frauchens Regina Petri der einzige Therapiehund in einem rheinland-pfälzischen Krankenhaus.

Seit einem Jahr begleitet Marielle die Demenzspezialistin zu Patienten der Psychiatrischen Station. „Der Mensch kommt immer mit Fragen und stellt Anforderungen. Das macht der Hund so nicht“, sagt Fachkrankenschwester Petri. In der Einzel- wie der Gruppentherapie habe der Hund eine positive Wirkung. „Demenzkranke leben oft in ihrer eigenen Welt“, sagt Petri. Der Hund, ein französischer Spaniel, wirke dann wie ein Türöffner. Petri erzählt von einer apathischen und aggressiven Patientin, die seit dem Kontakt zu Marielle wieder spricht, isst und sich nicht mehr gegen die Pflege wehrt: „Sie hat den Hund mit dem Namen ihres früheren Hundes angesprochen.“

Die tiergestützte Therapie trainiert die motorischen und psychischen Fähigkeiten der meist über 70-Jährigen. Mal soll ein Patient Marielle einen Seidenschal umbinden, mal versteckt die Gruppe ein Leckerli für den Vierbeiner. Schon die bloße Anwesenheit des Hundes könne sich gut auf Patienten und Gruppen auswirken.

„Der Effekt ist da. Die Patienten werden ruhiger, das beobachten wir“, bestätigt der Leitende Oberarzt der Station, Andreas Fellgiebel. Viele Patienten seien mit Standardmethoden nicht zu erreichen. „Hundetherapie ist da eine super Option.“ Wissenschaftlich lasse sich schwer beweisen, welche Änderung bei einem Patienten speziell der Hund bringe. Eine Langzeitstudie sei aber geplant.

Marielles Arbeitszeit ist auf zwei Stunden pro Woche begrenzt. So schützt Regina Petri ihren Vierbeiner. „Ich möchte auch noch einen normalen Hund“, sagt sie. Denn andauerndes Stillsitzen, Ball holen oder Gestreichelt-Werden sind anstrengende Aufgaben. Seit Oktober 2011 ist der Spaniel fertig ausgebildeter Therapiehund. Bei Kursen in Bayern lernte Petri zum Beispiel zu erkennen, wann ihr Hund Stress hat.

Als Eisbrecher sieht auch Andrea Rohe die Therapiehunde, die sie für die Interessengemeinschaft Therapiehunde Saar-Pfalz (IGTH) ausbildet. „Die Arbeit des Menschen steht im Vordergrund, der Hund ist das Medium“, sagt Rohe. Während der halbjährigen Ausbildung in Kirkel im Saarpfalz-Kreis werden Tiere und Besitzer vorbereitet. „Man versucht, den Hund an alle möglichen Situationen heranzuführen“, sagt Rohe. Die Vierbeiner lernten zum Beispiel, dass sich manche Menschen ungewöhnlich verhalten. Rohe besucht mit ihren Hunden regelmäßig zwei Altenheime. Auch das langsame Tempo älterer Menschen müssten die Tiere kennenlernen.

Zur Ausbildung gehören vier theoretische und vier praktische Trainingseinheiten. Am Ende stehen ein schriftlicher Test für den Menschen und eine Teamprüfung mit dem Hund. Im März hat die IGTH ihre ersten Absolventen, sechs Hunde und ihre Halter, in die ehrenamtliche Arbeit entlassen.

Jeden Mittwoch ist in Speyer ab 15.00 Uhr „Anneliese-Zeit“. Dann begleitet Vierbeiner Anneliese sein Frauchen Andrea Jester in eine Tagesgruppe für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche der Diakonissen Speyer-Mannheim. „Wenn die Kinder von der Schule kommen und der Hund ist da, dann ist der Ärger erst einmal vergessen“, sagt die Erzieherin Jester. Bei einem Spaziergang und Themeneinheiten mit dem Hund lernen die Kinder, Verantwortung zu tragen oder über Gefühle zu sprechen. Auf Bildern sehen die 8- bis 14-Jährigen zum Beispiel, dass es dem Hund gut geht. Danach sollen sie beschreiben: Wann geht es mir gut? „Der Hund tritt den Kindern völlig wertfrei gegenüber. Das fällt uns Menschen oft schwer“, sagt Jester.