Sehen und gesehen werden Tipps für das Laufen in der dunklen Jahreszeit

Es ist weniger die Kälte, als die Dunkelheit, die Läufern im Winter zu schaffen macht. Das Laufen im Winter einzustellen ist nicht nötig. Mit ein paar einfachen Maßnahmen kann etwas Licht in die dunkle Jahreszeit gebracht werden.

Laufen im Dunkeln kann magisch sein, viele fühlen sich jedoch unbehaglich in der Finsternis.

Foto: Julian Stratenschulte

Düsseldorf. Es gibt Läufer, die laufen gerne, wenn es dunkel ist. Die Nacht wird mit Ruhe und Erholung verbunden. Gedankenmüll kann leichter entsorgt werden, weil nicht mehr so viele Sinneseindrücke den Weg ins Hirn finden. Nachtläufer haben ein entspanntes Verhältnis zum Laufen im Dunkeln. Die Füße werden zu Tastorganen. Der Boden verschwimmt mit dem Rest der Umgebung zu einem unendlichen Raum in der Finsternis. Der Läufer verwandelt sich zu einem Katzentier und scheint leichtfüßig zu schweben. Laufen in der Dunkelheit kann magisch sein. Doch Vergnügungs-Nachtläufer sind eher die Ausnahme, die meisten Sportler laufen ungern in der Finsternis. Mit ein paar einfachen Maßnahmen kann ihnen geholfen und etwas Licht in die dunkle Jahreszeit gebracht werden.

Wer schon mal im Dunkeln auf der altbekannten Strecke gelaufen ist, wird verblüfft festgestellt haben, wie die Füße im Dunkeln selber ihren Weg finden, als hätten sie ein Sehorgan in der Fußsohlen. Vielleicht ist sogar die Erkenntnis gekommen: Je besser der Bodenkontakt, umso besser finden die Füße ihren Weg. Und was heißt das für die Schuhwahl? Nicht der besonders gedämpfte und gestützte Schuh, sondern der Schuh, mit dem ich einen guten Bodenkontakt habe und in denen der Fuß den Boden spürt, ist die erste Wahl für das Laufen im Dunkeln.

Und als weitere Konsequenz: Übungen zur Kräftigung der Fußmuskulatur und der Bänder und Sehnen im Fußgelenk mindern die Gefahr des Umknickens und geben letztendlich auch ein sicheres Gefühl beim Laufen. Die Dunkelheit ist also ein guter Grund, spätestens jetzt damit anzufangen.

Wenn es zeitlich passt, so empfiehlt es sich, in der Dämmerung loszulaufen. Eine Viertelstunde kann schon entscheidend sein. Die Augen haben so Zeit, sich an das schwindende Licht zu gewöhnen.

Wer einen geregelten Job nachgeht mit den üblichen Arbeitszeiten — und das betrifft die meisten Läufer — hat aber im Winter kaum die Chance bei Tageslicht zu laufen. Außer am Wochenende. Womit wir schon bei der ersten Maßnahme wären: Wer bisher nur Samstag oder Sonntag die Laufschuhe geschnürt hat, stellt im Winter seinen Trainingsplan um. Aus dem oder wird ein und, dafür wird ein Wochentag eingespart.

Eine weitere Maßnahme: Eine härtere, schnellere Einheit wird auf das Wochenende verlegt, falls die Möglichkeit nicht besteht auf einer Sportanlage mit Flutlicht zu trainieren. Abgesehen von der Verletzungsgefahr, wird bei Dunkelheit das Gefühl für das Tempo leicht getäuscht. Die Orientierung durch den Sehsinn fehlt. Oft entsteht das Gefühl schneller zu sein, als man tatsächlich ist; oder in den eher seltenen Fällen, auch umgekehrt.

Gibt es auf der Arbeitsstelle die Möglichkeit zu duschen, kann die Mittagspause für ein kleines Läufchen genutzt werden. Oder aber: Kann der Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad bewältigt werden? Mit der richtigen Kleidung kann im Winter das Fahrradfahren eine Trainingsalternative sein.

Freiberufler, die sich ihre Arbeitszeit frei einteilen können, haben es da einfacher. Eine Umstrukturierung des Arbeitsablaufs schafft Raum für die Trainingseinheit am Tage.

Kommt weder das eine noch das andere in Frage und ist die geliebte Trainingsstrecke unbeleuchtet, gibt es zwei Alternativen: Trainingsstrecke ändern oder selber für Beleuchtung sorgen.

Die naheliegende Alternative: Auf den Sportplatz gehen. Im Idealfall hat die heimische Sportanlage sogar eine Flutlichtanlage. (Siehe Infokasten) Es ist zwar nicht unbedingt ein Vergnügen auch den Dauerlauf auf einer 400-m-Runde zu absolvieren, es schult aber immerhin die mentale Stärke. Es muss aber nicht immer die Runde sein. Ein eckiger Fußballplatz tut es auch. Selbst in ländlichen Gegenden gibt es bestimmt einen Fußballclub. Zudem verfügen Fußballplätze noch eher über eine Flutlichtanlage als der Ascheplatz vom Dorfclub. Der unbeleuchtete Sportplatz ist in der Nacht bei weitem nicht so gruselig wie der düstere Wald.

Städter sind im Vorteil. Ihnen steht die ganze Stadt als Laufrevier zur Verfügung. Wenn der Stadtwald oder die Parkanlage unbeleuchtet ist — mit ein bisschen Einfallsreichtum lässt sich eine schöne beleuchtete Strecke ausfindig machen. Ruhige Wohngegenden gibt es überall. Mit Google Earth oder anderen Programmen lässt sich vorher eine Streckenroute- und länge festlegen. Industriegebiete bieten sich auch wunderbar als Laufrevier an. Nach Feierabend ist dort kaum Verkehr und sie sind gut beleuchtet.

Und da wäre noch das Laufband im Fitness-Studio. Mittlerweile bieten einige Betreiber vierteljährliche Verträge an. Das Laufband hat zumindest den Vorteil, dass es wetterunabhängig macht und auch kein Trainingsplan umgestellt werden muss. Von Dauerlauf, Tempolauf und Fahrtspielen bis zu Anstiegen (Neigungswinkel bis zu 15% einstellbar, je nach Modell) ist alles machbar.

Wer jetzt „Igitt, Asphalt/Laufband schreit“ oder „Fußballplatz? Nein Danke!“ ruft, der muss selber fürs Licht sorgen.

Läufer müssen Kompromisse eingehen, was die Eigenbeleuchtung angeht. Die leuchtstarken Stirnlampen, wie sie Bergsteiger benutzen, sind zu schwer, die ganz leichten, billigen Lampen sind eher Placebofunzeln. Sie taugen allenfalls als Dauerbeleuchtung zum Ablesen der Uhr.

Bevor sich also für eines der vielen Modelle, die es mittlerweile auf dem Markt gibt, entschieden wird, sollte der Läufer sich im Klaren darüber sein, welchem Zweck die Lampe erfüllen soll. Soll die Lampe dazu dienen, um im Dunkeln wahrgenommen zu werden, oder für den nächtlichen 100 Meilen-Traillauf im unwegsamen Gelände hell und vor allem lange leuchten. Die Preisspannen sind dementsprechend von 10 Euro bis ca. 400 Euro. Ca. 40-60 Euro muss für ein brauchbares Modell, das den Weg ausreichend ausleuchtet, angelegt werden.

Mit Stirnlampe zu laufen ist nicht Jedermanns/frau Sache. Da heißt es: ausprobieren. Im Geschäft mit der Stirnlampe fünf Minuten hin und her laufen oder rumhüpfen ist leider nicht genug, um zu wissen, ob eine Stunde oder gar die ganze Nacht mit der Lampe am Kopf unbeschwert die Runden gedreht werden können. Aber immerhin reicht das aus, um zu wissen, ob die Lampe gut sitzt oder hin und her wackelt, zu schwer ist, oder das Gewicht akzeptabel erscheint. Eine schlecht sitzende Lampe kann die Nackenmuskulatur unmerklich negativ beeinflussen, was zu Kopf- oder Nackenschmerzen führen kann.

Manche Stirnlampen haben die Batterien im Lampenteil, oder auf der Rückseite des Befestigungsbandes in einem Batteriefach untergebracht oder aber in einem extra Batteriefach, was am Körper befestigt wird. Bei dieser Variante gilt es zu berücksichtigen, das ein Kabel mit dem Leuchtelement verbunden ist.

Mittlerweile gibt es Dank der LED-Technologie leichte Modelle. Doch rund 100 g (inklusive Batterien) — soviel wie eine Tafel Schokolade — wiegt eine gute Stirnlampe. Tipp: Beim Anprobieren im Geschäft darauf achten, ob die Batterien im Testgerät schon drin sind. Ohne Batterien — wenn es keine Knopfzellen sind — ist eine Lampe erheblich leichter.

Wichtig: Beim Tragen einer Stirnlampe darauf achten, den Neigungswinkel der Lampe so einzustellen, dass der Weg und nicht entgegenkommende Läufer angestrahlt werden. Die werden bei ungünstiger Einstellung nämlich derart geblendet, dass sie nichts sehen. Und das bis zu 200 Meter lang.

Dann gibt es noch die Taschenlampe. Permanent etwas mit der Hand zu umklammern kann sich auf andere Muskelpartien, wie Schultergürtel, auswirken und damit auf die ganze Laufhaltung. Zusätzlich wird eine unnatürliche Handhaltung eingenommen, da ja der Weg ausgeleuchtet werden soll. Deshalb: Nicht empfehlenswert. Wer dennoch mit Taschenlampe laufen möchte, kann sich eine Trinkflaschenhalterung für die Hand zulegen. Statt das Trinkfläschchen einfach die Taschenlampe in der Halterung befestigen.

Soll die Stirnlampe oder die Taschenlampe aber einzig und alleine nur dazu dienen, gesehen zu werden, so gibt es komfortablere Lösungen.

Es ist nicht erforderlich wie ein Weihnachtsbaum zu leuchten, aber Läufer, die im Dunkeln nicht ein reflektierendes oder leuchtendes Objekt am Leibe tragen, gehört der Hintern versohlt. „Gesehen werden“ ist das Pflichtprogramm für Läufer in der Dunkelheit. Nicht nur in der Stadt, wo Auto- und Fahrradfahrer die Wege kreuzen. Schon mal im dunklen Park mit einem entgegenkommenden Läufer zusammengestoßen? Nein? Glück gehabt.

Die Auswahl an Sicherheits-Zubehör ist enorm. Da ist für jeden Geschmack etwas dabei. Da wäre die Schirmmütze, in der vorne Leuchtdioden eingebaut sind. Die Leuchtstärke ist zu schwach, um ausreichend den dunklen Weg auszuleuchten, reicht aber aus, um um in der Dunkelheit erkannt zu werden.

Wer im Sommer schon recht bunt durch die Gegend gelaufen ist — prima. Denn es gibt Laufjacken, die sind komplett aus neonfarbenen Material mit reflektierenden Elementen. Wem das zu viel ist, oder die Lieblingsjacke schwarz ist, es gibt ultraleichte (ca. 45 g) rudimentär geschnittene Neon-Sicherheitswesten mit reflektierenden Elementen oder Leuchtelementen vorne und hinten und Neon-Schirmmützen für den Kopf. Noch reduzierter sind reflektierende Gürtel und Neon-Leuchtbänder, die man am Arm oder an der Fußfessel tragen kann.

Leuchtbänder sind auch mit Leuchtdioden erhältlich. Empfehlenswert sind die Modelle, die als Dauer- oder Blinklicht umgeschaltet werden können. Denn auf Dauer kann das Blinken nerven. Leuchtbänder mit Leuchtdioden ringsrum stören nicht am Oberarm und der Träger ist von allen Seiten gut erkennbar. In der Regel halten die flachen Knopf-Batterien den ganzen Winter. (ab ca. 5 Euro).

Oberarmbänder mit Sicherheitsblinklichtern, wahlweise in Rot oder Weiß sind nur zu empfehlen, wenn sie zusätzlich oder rechts und links getragen werden. Denn je nachdem wie das Blicklicht positioniert wird, ist der Träger nur von vorne, hinten oder seitlich gut sichtbar.

Um die Ausstattung von Kopf bis zu Fuß zu komplettieren: Leuchtende Schuhclips werden hinten an der Ferse am Schuh befestigt. Auch diese Clips haben den Nachteil, dass die Sichtbarkeit nur von hinten gewährleistet ist. Als zusätzlicher Schutz sind sie geeignet, mit 20 Euro aber ca. viermal so teuer wie Leuchtdiodenbänder.

Die Augen passen sich zwar sehr gut an die Dunkelheit an, doch je dunkler es wird, umso größer werden die Ohren. Plötzlich wird jedes kleine Rascheln zu einer vermeintlichen Bedrohung oder ein Strauch zum Monster.

Alle Systeme sind auf Alarmbereitschaft gestellt. 200 Meter weiter war es dann doch nur der Wind, der ein federleichtes Blatt sanft ins Laub fallen ließ. Das Adrenalin hat bis zu dieser Erkenntnis aber schon den Weg durch das Körpersystem genommen. Pulsschlag höher, neuer Streckrekord und aus der regenerativen Einheit ist dann doch ein Tempolauf geworden.

Selbst für den Genuss-Nachtläufer ist mit dem Lauf in der Düsternis ein gewisser Nervenkitzel verbunden. Kein Wunder. Der Gefahr kann der Nachtläufer nicht mehr ins Auge blicken. Zudem ist die Dunkelheit der ideale Raum für Fantasie. Horrorfilme spielen mit der Dunkelheit. Wird der Untergrund, auf dem ich laufe, von der Dunkelheit verschluckt, scheint auch der Boden der Tatsachen zu verschwinden. Die Tatsachen sind:

• Verbrechen und das Dunkle sind in unserem Kopf zusammengeschweißt. Dabei kommen Einbrecher nicht nachts, sondern am schönen sonnigen Vormittag um 11 Uhr. Ähnlich verhält es sich mit gewalttätigen Übergriffen insbesondere gegen Mädchen und Frauen. In der Polizeistatistik von 2010 heißt es: „Bei Mädchen und Frauen auffällig, dass sie bei Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Mord/Totschlag häufig Opfer von Verwandten und Bekannten werden.“ (http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/innere-sicherheit/135312/die-kriminalitaetslage-im-spiegel-der-polizeilichen-kriminalstatistik)

• Wilde, gefährliche Tiere gibt es in unseren Breitegraden nicht. Und auch die paar Wölfe, die sich wieder bei uns angesiedelt haben fallen keine Menschen an. Deutschland ist seit 2008 tollwutfrei. (http://www.bmel.de/DE/Tier/Tiergesundheit/Tierseuchen/_texte/TollwutfreiesDeutschland.html)

• Hunde beißen nachts nicht öfter als tagsüber.

Es ist also nicht so gefährlich im Dunklen, wie wir uns es in unserer Fantasie ausmalen. Doch wenn die Angst trotzdem mitläuft, wie kann dem begegnet werden? Es fängt bei der eigenen Haltung an. Laufe ich ängstlich durch die Gegend? Schultern eingezogen, leicht angespannt, mit dem Gefühl, sich nicht wehren zu können? Oder habe ich das Gefühl Herr/Frau der Lage zu sein, mich wehren zu können? Um sich sicherer zu fühlen, können Selbstverteidigungskurse helfen. Muskelpakete sind nicht die Voraussetzung, um einen potentiellen Angreifer zu verjagen. Es muss nicht der Acht-Wochenkurs im Kampfsportclub sein. Es gibt Wochenendkurse in der Volkshochschule, wo einem beigebracht wird, sich in einer Notwehrsituation entschlossen und selbstbewusst zur Wehr zu setzen. Manch einem hilft es auch Pfefferspray oder eine Pfeife beim abendlichen Lauf mitzuführen, um sich wohler in seiner Haut zu fühlen.

Die Streckenwahl sollte mit Bedacht gewählt werden. Das Drogen- und Rotlichtmilieu am Bahnhof muss es nicht gerade sein, und die Hochhaussiedlung wirkt im Dunkeln bedrohlicher. Unser Bauchgefühl kann uns den richtigen Weg weisen. Welche Gegend empfinde ich als angenehm, wo ist es beschaulich, welche Strecke ist gut ausgeleuchtet? Wo laufen andere Läufer? Gibt es Strecken, die frequentiert sind?

Vielleicht findet sich ja doch jemand, beim abendlichen Lauf mitzukommen. Es muss ja nicht der Mitläufer sein. Gibt es eine Freundin oder Freund, dem Bewegung auch ganz gut täte und Fahrradfahren kann. Und wenn es nur einmal die Woche ist. Das ist ein Lauf weniger alleine in der Dunkelheit. Hier darf ruhig die Fantasie in der Überredungskunst eingesetzt werden und das mit gutem Gewissen, denn Bewegung tut jedem gut.

Wer jetzt immer noch nicht im Dunkeln laufen mag, weil kein Sportplatz oder Fitness-Studio in erreichbarer Nähe ist, auf dem einsamen Land wohnt, sich im dunklem Wald fürchtet — die Landstraße kommt als Laufstrecke sowieso nicht in Frage, weil das zu gefährlich ist —, der kann sich immer noch ein Ergometer in den Keller oder ins Wohnzimmer stellen. Dunkelheit als Ausrede für Formschwäche im Frühling zählt nicht mehr. Das wird Motivationsschwäche genannt und ist ein anderes Thema.