Zocken bis zum letzten Hemd
Bad Zwischenahn (dpa) - Klaus F. Schmidt hatte alles: Millionen auf dem Konto, ein Haus am Wasser, eine Jacht und ein teures Auto. Dann er verzockte sein Vermögen. Jetzt kämpft er gegen das Glücksspielsystem in Deutschland und fordert mehr Schutz für süchtige Zocker.
Wenn die Roulettekugel rollte, befand sich Klaus F. Schmidt wie im Rausch. Manchmal gewann er, noch öfter verlor er. Trotzdem ging er immer wieder in die Spielhalle. Erst verkaufte er sein dickes Auto, dann die Jacht, schließlich das Haus. Nach zwei Jahren hatte der Multimillionär sein gesamtes Vermögen verzockt: fünf Millionen Mark. Seither hat er den Kasinos und dem deutschen Glücksspielmonopol den Kampf angesagt.
„Mein Fall zeigt, dass der Glücksspielstaatsvertrag eine reine Heuchelei ist“, sagt der grauhaarige 61-Jährige. „Der Staat kümmert sich nicht um den Schutz von Spielsüchtigen.“ Schmidt hat ein Buch verfasst („Nichts geht mehr“, Mankau Verlag 2009), Politikern Briefe geschrieben und unzählige Flyer vor Spielhöllen verteilt. Seine Geschichte soll den Gesetzgeber aufrütteln und anderen Spielern als Warnung dienen.
Am Freitag kehrt er für eine Protestaktion an den Ort zurück, an dem sein Niedergang begann. In der Spielbank im niedersächsischen Bad Zwischenahn setzte er sich 1998 zum ersten Mal in seinem Leben an einen Roulettetisch. „Mich hat die Atmosphäre und das Spiel gereizt“, erzählt Schmidt und seine Augen glänzen hinter der randlosen Brille. „Die Leute waren schick angezogen. Es lag eine gewisse Spannung in der Luft.“
Gleich beim ersten Mal verlor er 10 000 Mark. Doch abgeschreckt hat ihn das nicht. Er suchte den Nervenkitzel. Reich gemacht hatte ihn der Wassersprudler „Sodastream“, den er gemeinsam mit einem Geschäftspartner in Deutschland eingeführt hatte. Doch der Stress in der Firma machte Schmidt krank. Er ließ sich auszahlen - und fiel in ein Loch, als das Adrenalin nicht mehr ständig durch seinen Körper jagte.
Der Besuch im Kasino war für ihn wie eine Achterbahnfahrt. Einmal verlor er in Bremen bis Mitternacht rund 360 000 Mark, drei Stunden später hatte er fast 350 000 wieder zurückgewonnen. Doch selten hatte er so viel Glück. „Ich konnte nicht aufhören. Ich war süchtig.“ Wie es soweit kommen konnte, kann er sich bis heute nicht erklären.
Zurzeit lebt er in einer 30 Quadratmeter großen Dachkammer in Delmenhorst in der Nähe von Bremen. Seine Miete kann er seit Monaten nicht mehr bezahlen. Vor kurzem wurde ihm der Strom abgestellt. „Jetzt droht mir die Obdachlosigkeit“, sagt Schmidt. Mit Schlafsack, Koffer, Zahnputzbecher und Wecker campiert er nun symbolisch vor dem Kasino in Bad Zwischenahn, um auf die Folgen von Glücksspielsucht aufmerksam zu machen.
Früherkennung könnte Schicksale wie das von Schmidt verhindern, meint der Bremer Spielsuchtforscher Gerhard Meyer. Doch da bestehe in Deutschland immer noch ein Manko. So hätten sich 2130 Spieler im Jahr 2009 selbst sperren lassen. Zu diesem Schritt greifen diese aber erst in letzter Not. Auf Initiative von Spielbank-Personal wurden aber nur 205 Spieler gesperrt. Für die neue Fassung des Glücksspielvertrags, die voraussichtlich im Juni vorliegen soll, fordert der Psychologie-Professor deshalb: „Wir brauchen eine Verpflichtung, dass Mitarbeiter alle Fälle melden, dokumentieren und analysieren müssen.“
In den Filialen von Westspiel, zu dem auch das Bremer Kasino gehört, erhalten die Mitarbeiter schon seit Jahren regelmäßig Schulungen zum Spielerschutz. Wenn ein Zocker auffällt, suchen speziell ausgebildete Führungskräfte das Gespräch mit ihm und verhängen notfalls eine Spielsperre, wie ein Sprecher erläutert.
Doch dass auch diese nicht immer wirksam sind, zeigt der Fall eines früheren Profi-Fußballers. Dieser soll sich nach Angaben eines Westspiel-Sprechers trotz seiner Sperre mit einem falschen Ausweis in die Bremer Spielbank geschlichen haben.