Zu wenig Masern-Impfungen - Kleinkinder selten gut geschützt
Berlin (dpa) - Forscher schlagen Alarm: Nur etwa jedes dritte Kleinkind in Deutschland wird ausreichend und rechtzeitig gegen Masern geimpft. Die Wissenschaftler warnen vor „fatalen Folgen“. Doch welche Impfungen werden für Kinder überhaupt empfohlen?
Berlin (dpa) - Forscher schlagen Alarm: Nur etwa jedes dritte Kleinkind in Deutschland wird ausreichend und rechtzeitig gegen Masern geimpft. Die Wissenschaftler warnen vor „fatalen Folgen“. Doch welche Impfungen werden für Kinder überhaupt empfohlen?
Nur etwa jedes dritte Kleinkind in Deutschland wird laut einer Studie ausreichend vor Masern geschützt. 37 Prozent der Kinder erhalten vor ihrem zweiten Geburtstag die empfohlene Doppel-Impfung, wie Wissenschaftler vom Versorgungsatlas der kassenärztlichen Vereinigungen am Mittwoch (17. Juli) mitteilten. Am schlechtesten seien die Impfquoten in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Bremen.
Die Begründungen von Eltern, warum sie ihre Kinder nicht zweimal gegen Masern impfen lassen, sind laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov unterschiedlich: „Gilt für mich als Kinderkrankheit, die man durchmachen kann und muss“, lautete eine Erklärung.
Forscher warnen jedoch davor, die Impfungen auszulassen. Masern gelten als eine der ansteckendsten Krankheiten überhaupt. Schwere Komplikationen sind selten, aber es gibt sie. Im Juni starb ein 14-Jähriger an den Spätfolgen einer Infektion. Er hatte sich als Säugling in einem Wartezimmer mit Masern angesteckt, weil ein nicht geimpftes Kleinkind die Krankheit weitertrug. Auch ein als Säugling angestecktes Mädchen starb Jahre später durch diese Wartezimmer-Infektion.
Die Forscher vom Versorgungsatlas haben in ihrer Erhebung die Daten von mehr als 550 000 Kindern ausgewertet, die im Jahr 2008 geboren wurden. Das sind 81 Prozent des gesamten Jahrgangs.
„Impflücken bei Kleinkindern können beispielsweise in Kindertagesstätten fatale Folgen haben, wenn die Infektion bei einem lokalen Masernausbruch eingeschleppt wird“, warnte die Leiterin der Forschergruppe des Versorgungsatlas, Sandra Mangiapane, in einer Mitteilung. Bei drei bis fünf Prozent der Kinder schlage die erste Impfung nicht an.
„Bezogen auf die Studienpopulation bedeutet dies, dass zwischen 14 000 und 23 000 Kinder, die eine Erstimpfung bekommen haben, bis zur Zweitimpfung nicht geschützt sind, obwohl die Eltern das denken“, sagte die Studienautorin Maike Schulz. Die Ständige Impfkommission empfiehlt aus diesen Gründen eine zweifache Impfung.
Die jüngsten Masern-Ausbrüche zeigen nach Angaben der Forschergruppe, dass die Impfquoten in Deutschland zu niedrig liegen und der Impfschutz in vielen Regionen sehr löchrig ist. In Erftstadt bei Köln musste vor kurzem eine Waldorfschule geschlossen bleiben, nachdem dort mehr als zehn Schüler an Masern erkrankt waren. Nur ein Viertel der Schüler konnte einen Impfschutz nachweisen.
Allein im ersten Halbjahr 2013 wurden dem Berliner Robert Koch-Institut (RKI) mehr als 1070 Fälle gemeldet, der Großteil davon in Bayern (478) und Berlin (400). Laut einer aktuellen Schätzung des RKI waren in diesem Jahr zum Stichtag am 14. Juli bereits 1207 Menschen an den Masern erkrankt.
Eine Impfpflicht gibt es in Deutschland zwar nicht. Die Ständige Impfkommission empfiehlt aber bestimmte Vorsorgemaßnahmen für Babys und Kinder sowie Auffrischungen im Erwachsenenalter. Hier ein Überblick:
- Wundstarrkrampf (Tetanus), Diphtherie, Keuchhusten (Pertussis) und der vor allem für Kleinkinder gefährliche Erreger Haemophilus influenza Typ b sind Standardimpfungen bei Babys. Vier Dosen sind zur Grundimmunisierung notwendig. Sie bekommt das Kind im Alter von 2, 3 und 4 Monaten sowie im Alter von 11 bis 14 Monaten. Eine vergessene Spritze holt der Arzt im Alter von 15 Monaten bis 4 Jahren nach. Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten brauchen zweimal jeweils im Alter von 5 bis 6 sowie von 9 bis 17 Jahren eine Auffrischung. Ab 18 Jahren gibt es alle zehn Jahre eine Spritze gegen Tetanus und Diphtherie, das erste Mal in Kombination mit einem Mittel gegen Keuchhusten.
- Gegen Kinderlähmung (Polio), Hepatitis B und Lungenentzündung (Pneumokokken) gibt es ebenfalls vier Dosen im Alter von 2, 3 und 4 Monaten sowie zwischen 11 bis 14 Monaten. Polio muss zwischen dem 10. und 18. Lebensjahr aufgefrischt werden. Gegen Lungenentzündung wird außerdem einmalig ab 60 Jahren geimpft oder in manchen Fällen die Vorsorge erneuert.
- Bei der ersten Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln sowie gegen Windpocken (Varizellen) sollte das Kind zwischen 11 und 14 Monate alt sein, bei der zweiten Dosis 15 bis 23 Monate. Die Impfungen können bis zum Erwachsenenalter nachgeholt werden. Die Kommission empfiehlt allen nach 1970 geborenen Menschen ab 18 Jahren, die nicht wissen, ob sie geimpft wurden, sich einmalig vor Masern schützen zu lassen.
- Gegen Meningokokken-Bakterien, die eine Blutvergiftung oder eine Hirnhautentzündung auslösen können, geht man mit einer Impfung ab 12 Monaten vor. Haben Eltern das versäumt, sollten sie vor dem 18. Geburtstag des Kindes den Arzt aufsuchen.
- Erwachsenen ab 60 Jahren wird die jährliche Grippeimpfung (Influenza) empfohlen.