Googles Autos spähen Städte aus

Straßenzüge werden systematisch fotografiert. Schon bald sollen die Bilder im Internet stehen.

Düsseldorf. Der schwarze Wagen fährt langsam durch die Straße. Auf dem Dach: Eine Kamera-Anlage. Alle zwei Sekunden klicken die elf Linsen. In alle Richtungen wird fotografiert. Haus um Haus, Straßenzug um Straßenzug. Später sollen die Bilder zum 360-Grad-Rundblick zusammengesetzt werden und im Internet einsehbar sein.

Ja, er könne verstehen, dass der Wagen auf den einen oder anderen "bedrohlich und beängstigend" wirken kann, gibt Stefan Keuchel zu. Keuchel ist Pressesprecher von Google Deutschland. Doch bisher, so sagt er, habe es bei dem Unternehmen noch keine Beschwerden gegeben. Es gebe auch gar keinen Grund, dem Projekt "Google Street View" zu misstrauen.

Niemand müsse befürchten, dass er, weil er zufällig mit aufs Foto geraten ist, später im Internet identifiziert werde. "Wir werden alle Gesichter und Kfz-Kennzeichen unkenntlich machen."

Auch die Hausnummern? Das verneint Keuchel. Der Betrachter, der einen virtuellen Straßenspaziergang am Computer unternimmt, soll ja einordnen können, wo er sich gerade befindet.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte zeigt sich skeptisch. Peter Schaar fragt: "Müssen wir damit rechnen, mit Werbung von Firmen überschüttet zu werden, die den Zustand unserer Häuser übers Internet begutachtet haben und uns ihre Dienste für Renovierungen anbieten? Werden Kriminelle den Dienst nutzen, um interessante Objekte auszuspähen? Wie werden sensible Einrichtungen wie Frauenhäuser vor Ausforschung geschützt?"

Brisant wäre es für den obersten Datenschützer auch, wenn die Bilder für Bonitätsbewertungen herangezogen würden und negative Folgen im Geschäftsleben, etwa bei Kreditvergaben, hätten.

Trotz der Google-Zusage, dass einzelne Personen oder Autokennzeichen nicht erkennbar sein sollen, sieht Schaar noch Klärungsbedarf. Auch wenn die ins Internet gestellten Fotos verfremdet werden, verfüge der Anbieter doch über die vollständigen Informationen, einschließlich der Gesichtsbilder und Kfz-Kennzeichen. Mit anderen Worten: späterer Gebrauch nicht ausgeschlossen.

Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hartmut Lubomierski zeigt sich weniger skeptisch. In einem Interview sagte er, er könne die Entrüstung über Google nicht verstehen. "Jeder kann heute schon jeden Platz, jedes Gebäude der Welt fotografieren und die Fotos anschließend ins Netz stellen. Das ist nicht verboten."

Anders sehe es aus, wenn Google später die Bilder mit personenbezogenen Daten verknüpfe, beispielsweise Fotos ganzer Straßenzüge samt dort gemeldeter Einwohner verkaufe. "Dann wären in der Tat Persönlichkeitsrechte massiv berührt."

Ein anderer Datenschützer hat gegenwärtig schon größere Bedenken. Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter in Schleswig-Holstein, sieht aber keine Möglichkeit für den Einzelnen, sich zu wehren. Doch werde in Schleswig-Holstein darüber diskutiert, schon die Anfertigung der Fotos zu stoppen. Weichert: "So könnte eine Kommune die Fahrt des Kamerawagens als erlaubnispflichtige Sondernutzung einstufen."

Dass der Einzelne kaum gegen das Fotografieren als solches etwas ausrichten kann, bestätigt auch Bettina Gayk, Sprecherin der NRW-Datenschutzbeauftragten Bettina Sokol: "Das bloße Fotografieren von Häusern ist nicht verboten. Auch Personen, die nur "Beiwerk" seien, könnten sich nicht wehren.

In der Tat heißt es in § 23 Kunst-Urheberrechtsgesetzes, dass der Fotografierende keine Einwilligung benötigt "bei Bildern, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit" erscheinen.

Die Aufnahme und Veröffentlichung eines Bauwerks erlaubt § 59 Urheberrechtsgesetz, wobei sich das ausdrücklich "nur auf die äußere Ansicht" bezieht. Google dürfte also kein durch ein offenes Parterrefenster aufgenommenes Bild ins Netz stellen.

Hier riskiert Google sogar ein Strafverfahren: In §201a Strafgesetzbuch heißt es: "Wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft."

Ob Google sich an die Regeln hält, dürfte erst festzustellen sein, wenn die Bilder in ein paar Monaten online gehen. Google-Sprecher Keuchel versichert, dass es auf der Internetseite eine Klickmöglichkeit geben wird, worüber etwaige kompromittierende Bilder gemeldet werden. Der Betreiber werde sie dann entfernen.

Der Haken: Wer in einer unangenehmen Situation (Verlassen eines Bordells, Urinieren am Gartenzaun) fotografiert wird und doch erkennbar sein sollte, muss dies erst einmal selbst mitbekommen. Und zwar vor irgendwelchen Internet-Spaßvögeln, die gerade solche Fotos systematisch suchen und weiter verbreiten.