Studie: Umweltbewusstsein gewachsen
Berlin (dpa) - Das Umweltbewusstsein ist in Deutschland weiter hoch - das eigene Handeln bleibt bei vielen aber hinter den Ansprüchen zurück. Die meisten Bundesbürger sehen vor allem Staat und Industrie gefordert.
Die Bundesbürger sehen Umweltschutz als immer drängendere Aufgabe für Politik, Wirtschaft und für die Konsumenten. Die Noten für die Bundesregierung beim Klimaschutz gehen weiter in den Keller. Das eigene Handeln bleibt hinter den Ansprüchen meist zurück. Das ist das Ergebnis der neuen Studie „Umweltbewusstsein in Deutschland 2010“, die der Präsident des Umweltbundesamts, Jochen Flasbarth, am Donnerstag (16. Dezember) in Berlin präsentierte. Umweltschutz nehme trotz der erst überwundenen Wirtschaftskrise einen hohen Stellenwert ein. 62 Prozent wünschen sich hier mehr Engagement der Regierung.
So halten 85 Prozent der Bundesbürger einen konsequenten Umstieg auf erneuerbare Energien für nötig - der Anteil der Ökostrombezieher ist seit 2008 aber nur von 3 auf 8 Prozent gestiegen. Mit 26 Prozent schätzt nur eine Minderheit das umweltschonende Car-Sharing für sich selbst als attraktiv ein. Oft zu Bio-Lebensmitteln greifen nur noch 34 Prozent nach 43 Prozent 2008. Mit 58 Prozent ist aber eine Mehrheit für Tempo 30 innerorts, außer auf Hauptverkehrsstraßen, sowie für Tempo 130 auf Autobahnen. Der Anteil der selbst in Umweltschutzprojekten oder -gruppen Engagierten kletterte von 4 auf 9 Prozent.
Wie die Umfrage von März/April weiter zeigt, sind 62 Prozent der Ansicht, die Regierung tue nicht genug für den Klimaschutz. 2008 waren es nur 51 Prozent. Sogar 89 Prozent meinen, die Industrie tue dafür nicht genug. 54 Prozent meinen, die Bürger engagierten sich zu wenig. Zentralste Umweltaufgabe ist in den Augen der Deutschen ein geringerer Kohlendioxid-Ausstoß (52 Prozent).
71 Prozent sehen die Gesundheit der Kinder und Enkelkinder durch Umweltprobleme sehr stark oder stark belastet. Allerdings zeigen sich 56 Prozent zumindest ziemlich überzeugt, dass Deutschland die Folgen der Erderwärmung bewältigen kann. Der Wunsch nach einer Vorreiterrolle Deutschland im internationalen Klimaschutz nimmt zu - von 50 auf 61 Prozent.
Bessere Wärmedämmung von Häusern, eine umweltfreundlichere Produktion insgesamt, umweltfreundlichere Autos, höhere Steuern auf klimaschädliche Produkte, strengere Gesetze oder das Streichen umweltschädlicher Subventionen - Mehrheiten zwischen 72 und 89 Prozent sind für solche weitreichenden Schritte oder halten sie zumindest für wirkungsvoll. 68 Prozent meinen, Konsumenten könnten große Beiträge für den Umweltschutz leisten.
Dem stehe ein eher geringes freiwilliges Handeln gegenüber, betonte Flasbarth. „Da klafft eine Lücke, die für den Staat interessant ist, weil sie deutlich macht, wo man ansetzen kann“, meinte er. „Das ist für mich ein ganz klarer Auftrag an die Umweltpolitik, bei Rechtsetzung nicht zu zögerlich zu sein.“
Die Studie zeigt, dass gut gebildete, junge, täglich mit dem Internet lebende, liberale Menschen ausgeprägteres Umweltbewusstsein haben. Ärmere und konservativere Gruppen sehen Umwelt und Wirtschaft eher als Gegensatz und nehmen Umwelt überhaupt etwas weniger wichtig. Faktisch leben Menschen mit geringerem Einkommen trotzdem umweltverträglicher, weil sie weniger fliegen, Auto fahren und einkaufen. „Die traditionellen Nachkriegsgenerationen haben zwar mit Umweltschutz in der Wertevorstellung nicht viel am Hut, sie haben aber einen geringeren ökologischen Fußabdruck“, sagte Flasbarth.
Insgesamt halten ein Viertel bis ein Drittel Umwelt- und Klimaschutz für eine grundlegende Bedingung für Wohlstand, soziale Gerechtigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und mehr Arbeitsplätze, betonte Flasbarth. Auf der Rangliste der wichtigsten Aufgabenfelder rangiert Umweltschutz mit 20 Prozent hinter Wirtschafts- und Finanzpolitik (24 Prozent) und Arbeitsmarktpolitik (51 Prozent) auf Platz 3. Dabei rückte der Bereich einen Platz auf.