Urbane Landwirtschaft soll Städte grüner machen
Berlin (dpa) - In den Innenstädten gibt es Tomaten und Kürbisse um die Ecke zu kaufen - werden sie einmal auch in der Nachbarstraße angebaut? Initiativen und Firmen arbeiten an einer neuen Stadt-Landwirtschaft.
Diese könnte für mehr Grün sorgen - und die Umwelt schonen.
Eigentlich ist die Rollenverteilung klar: Bauern produzieren Lebensmittel auf dem Land, die meisten Kunden kaufen in Geschäften in der Stadt. Inzwischen schwappt aber eine „grüne Welle“ in die Metropolen. Auf Brachflächen oder in Parks entstehen Obst- und Gemüsegärten, gewirtschaftet wird meist für den Eigenverbrauch und als soziales Projekt. Daneben entwickeln junge Unternehmen Geschäftsideen, die den Standortvorteil einer „urbanen Landwirtschaft“ nutzen wollen: die direkte Nähe zu den Abnehmern. Angebote für einen größeren Markt gelten aber noch als Zukunftsmusik.
Mittlerweise gibt es in mehreren deutschen Städten interessante Vorhaben, wie auch Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) beobachtet. „Immer mehr Menschen entdecken mitten in der Stadt die Lust am Landleben und bekommen dadurch einen Bezug zur Produktion von Lebensmitteln.“ Dort könne man selbst sehen, wie Gurken, Tomaten oder Kräuter angepflanzt werden, und wie viel Arbeit darin steckt.
Ein Beispiel ist das Allmende-Kontor in Berlin. In einer Ecke auf dem Areal des früheren Stadtflughafens Tempelhof blüht, summt und duftet es in einem rund 5000 Quadratmeter großen Gemeinschaftsgarten. Kreuz und quer stehen Kisten, Kästen und Hochbeete aus selbstgebauten Holzkonstruktionen, an denen sich rund 700 Pflanzenfreunde um Kresse, Rosmarin, Sonnenblumen und einen Bienengarten kümmern. „Da lernt man kennen, wie schwierig Landwirtschaft ist, und entwickelt Sympathien für alle Kleinbauern auf dem Planeten“, sagt Severin Halder, einer der Initiatoren. Ums Verkaufen und Geldverdienen geht es dabei nicht.
Anliegen der Macher ist, dass sich zusehends grüne Inseln zwischen den Häuserblöcken bilden. „Wir wollen mehr Gärten in der Stadt“, sagt Kerstin Stelmacher vom Allmende-Kontor. Es will Vernetzungs- und Anlaufstelle für Projekte sein, von denen es inzwischen rund 60 in der Hauptstadt gibt. Geplant sind auch ein Geräteverleih und eine Tauschbörse für Saatgut - und dass künftige Vorhaben nicht nur temporär angelegt sind wie das zwischen den stillgelegten Tempelhofer Flughafenpisten. „Ein Garten muss wurzeln dürfen“, sagt Stelmacher.
Um kommerzielle Nutzung geht es dagegen der Firma „Efficient City Farming“ (ECF). In einer früheren Malzfabrik in Berlin-Schönefeld arbeiten die Gründer daran, eine Spezialkombination aus Fischzucht und Gemüseanbau marktreif zu machen. Das Prinzip: Ausscheidungen der Fische werden in einem Biofilter zu Dünger umgewandelt, und auch das Wasser wird doppelt genutzt. Entwickelt wurde das System vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Solche Cityfarmen sollen einmal auf Gebäudedächern errichtet werden oder könnten auf drei Meter hohen Stelzen über Supermarkt-Parkplätzen entstehen.
„Wir sind im Gespräch mit Einzelhandelsketten“, sagt ECF-Chef Nicolas Leschke. Damit ließen sich Transport-, Kühl- und Lagerkosten sparen, was das Klima schone. Auch Architekten und Gastronomen sollen als Interessenten gewonnen werden. Um eine erste Farm im großen Stil als Grundstein für Projektrealisierungen zu bauen, suchen die Berliner nach Investoren, die sich mit insgesamt drei Millionen Euro am Unternehmen beteiligen.
Inwiefern sich neue Ideen einer Stadt-Landwirtschaft durchsetzen, muss sich zeigen. „Sie könnten eine Ergänzung für die Versorgung in Großstädten sein“, sagt Aigner. Dass urbane Agrarproduzenten zu einer breiten Lieferbasis für City-Geschäfte werden, gilt in der Branche jedoch vorerst nicht als realistisch. Saisonprodukte wie Erdbeeren und Spargel würden bereits in der Nähe eingekauft, sagt ein Sprecher des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels: „Regionalität ist schon gar kein Trend mehr, sondern ein fester Bestandteil des Vermarktungskonzepts.“