Joggen: Woher kommen die Seitenstiche?

Ungeübte bekommen beim Joggen anfangs Schmerzen. Woran das liegt, darüber streiten Experten.

Münster. Voller Motivation geht es los zur lange geplanten Joggingrunde. Doch dann macht sich ein fieses Stechen in der seitlichen Bauchgegend breit, Weiterlaufen unmöglich. Der Fall ist klar: Seitenstiche. Wie aber kommt es dazu? "Das Problem beim Seitenstechen ist ja immer: Wenn man es untersuchen will, ist es weg", sagt Klaus Völker, Professor für Sportmedizin an der Uni Münster. Das Phänomen tritt nur bei Belastungen auf.

Es gibt viele Theorien zur Entstehung des Stechens, die dem Sportwissenschaftler Dieter Bubeck von der Uni Stuttgart zufolge von ganz unterschiedlichen Ursachen ausgehen. Die verschiedenen Erklärungsansätze müssen sich aber nicht ausschließen, denn vermutlich spielen mehrere Faktoren eine Rolle.

Völker hält es zum Beispiel für plausibel, dass Seitenstechen mit der Durchblutung zusammenhängt. "Im Rahmen von körperlichen Aktivitäten kommt es zu Blutumverteilungen", sagt er. Blut werde in die Muskeln gepumpt, die inneren Organe werden weniger versorgt. Dadurch könne es etwa zu Krämpfen in Leber, Magen und Darm kommen, was zum Stechen führe.

Die Beobachtung, dass Seitenstechen häufig bei vollem Magen und bei Untrainierten auftritt, spreche ebenfalls dafür. "Bei Untrainierten funktioniert die Umverteilung noch nicht so gut." Und bei einem vollen Bauch brauche der Körper Blut für die Verdauung.

Andere Ansätze wiederum betonen die entscheidende Rolle des Zwerchfells, das sich verkrampft und dadurch das Stechen auslöse. Letztere favorisiert Klaus-Michael Braumann, Professor für Sportmedizin an der Uni Hamburg.

"Die Zwerchfellhypothese ist relativ unumstritten", sagt Braumann. Dabei handelt es sich im Grunde um mehrere Hypothesen: Eine besagt, dass das Zwerchfell durch die belastungsbedingte Blutumverteilung unzureichend mit Blut und Sauerstoff versorgt wird. Ebenso könnte eine vermehrte Bildung von Darmgasen zu Zwerchfellirritationen führen, so Braumann. Er ist allerdings der Ansicht: "Die Atmung spielt die zentrale Rolle." Dass eine unregelmäßige Atemtechnik das Zwerchfell verkrampfen lässt und damit zu Seitenstechen führt, hält auch Bubeck für einleuchtend.

Die Zwerchfellhypothese würde laut Braumann auch erklären, warum geübte Sporttreibende eher seltener Seitenstechen bekommen - "weil sie gelernt haben, während der Belastung zu sprechen". Sprechen sei zum größten Teil auch eine Zwerchfellkontraktion. "Wenn man bei Belastung spricht und das nicht gewohnt ist, dann kommt es zu einer Verkrampfung des Zwerchfells." Völker dagegen hält das für unwahrscheinlich, weil das Zwerchfell einer der am besten trainierten Muskeln des Körpers sei.

Auch wenn Seitenstechen bei allen Ausdauersportarten auftreten kann, sind den Experten zufolge am häufigsten Läufer betroffen. Warum, ist auch hier nicht geklärt. Es könne etwa daran liegen, dass durch die Erschütterungen Darmgase nach oben wandern, sagt Braumann. Völker führt mechanische Belastungen der inneren Organe durch die Erschütterungen an: "Die Organe werden durcheinander gerüttelt."

Damit es gar nicht erst zu Seitenstechen kommt, raten alle Experten, zwei bis drei Stunden vor der Belastung keine üppigen Mahlzeiten einzunehmen. "Kleine, leichtverdauliche Sachen gehen aber auch noch später", sagt Völker. "Der Magen sollte weder zu voll noch zu leer sein." Gerade auf blähende Nahrungsmittel sollte man aber im Vorfeld verzichten. Zudem rät Bubeck, während der Belastung nur kleine Flüssigkeitsmengen aufzunehmen und kohlensäurehaltige Getränke ganz zu vermeiden.

Ebenfalls wichtig: nicht gleich volle Pulle loslegen. "Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Personen, die pulsgesteuert und langsam steigernd die Belastung durchführen, weniger von Seitenstechen betroffen sind", erläutert Bubeck.