Schnittige Skulpturen im Fahrtwind

Die Kühlerfigur in Serie feiert im Februar ihren 100. Geburtstag.

Stuttgart. „Spirit of Ecstasy“ — Geist der Ekstase — oder Emily wird sie genannt: Die erste serienmäßige Kühlerfigur. Vor 100 Jahren montierte Rolls-Royce Emily auf die Motorhaube — und löste einen wahren Trend aus, als die Firma das kleine Werk des Bildhauers Charles Sykes präsentierte. Während Rolls-Royce seine Fahrzeuge bis heute mit Kühlerfiguren schmückt und den Namen des historischen Vorbilds beibehielt, sind die Embleme ansonsten wieder aus der Mode gekommen — aus Sicherheitsgründen.

„Früher aber hat jede Marke, die etwas auf sich hielt, ihre Wagen mit Kühlerfiguren ausgestattet“, sagt Ruth Schumacher. Die Stuttgarterin nimmt für sich in Anspruch, eine der größten Sammlungen von Markenzeichen und Kühlerfiguren zusammengetragen zu haben.

Indianerhäuptlinge, Götter, wohlproportionierte Damen, Mickey Mouse und vor allem das Tierreich inspirierte die Unternehmen. „Dem Einfallsreichtum waren keine Grenzen gesetzt“, sagt Schumacher.

Auch bei der Materialauswahl gab sich die Industrie viele Jahre flexibel. Die Figuren wurden aus Metall, aber auch aus Porzellan oder Bleikristall gefertigt. Rolls-Royce experimentierte nicht. Die rund ein halbes Pfund schwere Skulptur, die binnen 14 Tagen komplett in Handarbeit gegossen wird, gibt es ausschließlich in Edelstahl, aus Silber oder vergoldet — und auch ohne das Auto dazu. Kostenpunkt: knapp 1.600 Euro.

Rolls-Royce war der erste Hersteller, der seine Fahrzeuge serienmäßig mit einer Kühlerfigur ausstattete. Doch gänzlich neu war die Idee 1911 nicht: „Davor haben sich viele Adlige von Kunsthandwerkern ganz individuelle Skulpturen entwerfen lassen.“ So habe sich bereits 1899 der englische Lord Montagu of Beaulieu als Motorhauben-Schutzpatron einen Christopherus für seinen Daimler anfertigen lassen. Eigentlich müsste er damit als Erfinder der Kühlerfigur gelten.

Das begehrteste Stück der Szene ist allerdings nicht die Schönheit von Rolls-Royce, sondern ein aufgerichteter Elefant. Ihn hat der Bildhauer Rembrand Bugatti als ironische Antwort auf Emily für den legendären Bugatti Royale entworfen. Nur sechs Originale existieren der Sammlerin Ruth Schumacher zufolge. Für bis zu 50 000 Euro werde die „Blaue Mauritius“ unter den Kühlerfiguren heute gehandelt.