Süchtig nach dem Smartphone? Auch dagegen gibt es eine App
Wie oft benutzen Sie am Tag eigentlich Ihr Smartphone? Bonner Forscher wollen es genau wissen.
Bonn. Viele Jugendliche legen ihr Handy kaum noch aus der Hand. Oft haben sie ein Smartphone, mit dem sie ins Internet gehen, mit Freunden kommunizieren oder Spiele herunterladen. Bei Vielnutzern bleibt das Telefon immer angeschaltet.
Bonner Forscher wollen nun mit Aufzeichnungen beleuchten, inwieweit eine Suchtgefahr droht. Dazu soll die eigens entwickelte App „Menthal“ dienen, die Smartphone-Nutzer kostenlos herunterladen können.
Die meisten Nutzer tendieren nach Beobachtungen der Wissenschaftler dazu, die Zeit am Handy zu unterschätzen. In einer Pilotstudie anhand der App untersuchte das Forscherteam der Universität Bonn das Verhalten von 50 Studenten über einen Zeitraum von sechs Wochen. Resultat: Alle zwölf Minuten aktivierte ein Durchschnittsnutzer sein Smartphone.
Einer der Leiter der Studie, der Psychologe Christian Montag, spricht von „erschreckenden Ergebnissen“: „Im Schnitt wurde das Handy am Tag 80 Mal aktiviert.“ Ein Viertel der Probanden habe das Handy länger als zwei Stunden pro Tag genutzt. „Die Frage ist, wann wird die Smartphone-Nutzung problematisch, und wann beginnt die Sucht?“
Gemeinsam haben die Forscher mit „Menthal“ eine App entwickelt, die exakt festhalten soll, wie oft und wann das Telefon aktiviert wird und welche Dienste und Anwendungen man nutzt.
Viele jüngere Menschen wollen ständig erreichbar sein. Vor allem gehe es um Kommunikation mit Freunden und Bekannten. Angesagt ist dabei aktuell das sogenannte Instant Messaging über Apps wie WhatsApp oder ähnliche Angebote. SMS, das gewöhnliche Telefonat oder E-Mails sind in den Hintergrund getreten.
Auch Spiele-Apps wie aktuell etwa Quizduell sind auf dem Smartphone beliebt. Das Hitspiel „Flappy Bird“ wurde vor wenigen Tagen zurückgezogen. Der vietnamesische Entwickler bekam nach eigenen Angaben Gewissensbisse. Es sei eigentlich zur Entspannung gedacht gewesen, habe sich aber zu einem Produkt mit Suchtpotenzial entwickelt, erklärte er den ungewöhnlichen Rückzieher auf dem Höhepunkt des Erfolgs.
Die App „Menthal“ sei wie eine „digitale Waage“, mit der man das eigene Suchtpotenzial einschätzen könne, sagt Montag. Die meisten Studien zur Handynutzung hätten sich bislang auf Selbsteinschätzungen verlassen, die natürlich verfälscht sein könnten.
Übermäßiger Umgang mit dem Smartphone könne suchtähnliches Verhalten hervorrufen. Um das Befriedigungsniveau zu halten, sei ein immer höherer Konsum nötig. Ähnlich wie bei anderen Suchtmitteln gebe es auch Entzugserscheinungen. Und ähnlich wie bei Drogen gebe es eine „ständige gedankliche Beschäftigung mit dem Medium“.
Wer die App nutzt, kann nicht nur sein eigenes Gefährdungspotenzial besser einschätzen, sein Verhalten wird auch von den Forschern ausgewertet. Über einen Server werden die anonymisierten Daten an das Bonner Team geleitet. Es will die Informationen unter Einhaltung strenger und transparenter Datenschutz-Regelungen für die psychologische Handy-Forschung und das neue Forschungsfeld der Psycho-Informatik nutzen.