Biowaffe gegen Blutsauger: Reiter malen Pferde mit Zebramuster an
Hannover (dpa) - Es klingt wie ein Aprilscherz im Juli: Reiter bemalen neuerdings ihre Pferde mit einem Zebrastreifenmuster - in der Hoffnung, dass Bremsen und Stechfliegen der Appetit vergeht. Hinter der Taktik stecken wissenschaftliche Erkenntnisse.
Reiter haben im Kampf gegen die verhassten blutsaugenden Pferdebremsen ein erstaunliches Gegenmittel entdeckt: Sie malen ihren Lieblingen Zebrastreifen aufs Fell. Im sozialen Netzwerk Facebook schwören Hunderte Pferdebesitzer auf den Erfolg ihrer Methode. Auf der Pinnwand ihres Forums sind Dutzende Fotos von Pferden im Zebra-Look zu sehen. Die Besitzer der Vierbeiner geben Ratschläge zu den vermeintlich besten Mustern und tauschen sich aus über geeignete Zutaten für die Farbe. Die Wissenschaft hat jedoch noch keinen eindeutigen Beweis für die abschreckende Wirkung eines gestreiften Fells auf Insekten.
Zweifel keimen in der Facebook-Gemeinde nicht auf. Der Tenor der Kommentare in den Gruppen ist eindeutig. So fasst etwa Nutzerin Sibylle zusammen: „Klappt gut, deutlich weniger Bremsen, sie schwirren rum, landen aber nicht mehr.“ Und Nutzerin Lena glaubt, den ultimativen Beweis angetreten zu haben: Nach zwei Dritteln des Fells ihrer „Cinderella“ ging die Farbe aus - mit dem Ergebnis, dass die Plagegeister die Streifen mieden - den noch nicht bemalten Teil der Stute aber munter weiter attackierten.
Als grundlegendes Patentrezept gibt die Gruppe Neumitgliedern den Hinweis: „Für dunklere Pferde empfehle ich weiße Streifen und für helle Pferde empfehle ich möglichst dunkle Streifen. Hauptsache kontrastreich und vertikal!“ Längst fachsimpeln die Nutzer intensiv über geeignete Farbe. Die Ideen reichen vom Wasser-Mehl-Gemisch (hält nicht so lange) bis hin zu professionellen Viehmarkierungsstiften. Es kursieren ganze Bauanleitungen zu Apparaturen für den temporeichen Farbauftrag. Ein Pferd in drei Minuten bemalen - kein Problem.
Was anfangs wie ein Aprilscherz klingt, hat einen ernsthaften wissenschaftlichen Hintergrund. Biologen aus Ungarn und Schweden zeigten vor gut einem Jahr, dass Zebras ihre kontrastreiche Zeichnung im Fell offensichtlich auch als Schutz vor Insekten dient. Zuvor hatte die Forschung angenommen, die Streifen erschwerten Raubtieren das Erspähen der Beute. Die These lautete, dass Fressfeinde im flimmrigen Licht der heißen Savanne die Zebras schlecht erkennen oder Probleme haben, einzelne Tiere in einer galoppierenden Herde auszumachen.
Doch das Experiment des Forscherteams um Susanne Åkesson von der schwedischen Uni Lund zeigte, dass blutsaugende Bremsen mit Lockstoff präparierte Attrappen mieden, wenn die gestreift waren. Mehr noch: Je schmaler die Streifen, desto besser. Das Team schrieb: „Wir folgern, dass Zebras ein Felldesign entwickelt haben, bei dem die Streifen so schmal sind, dass sie eine minimale Attraktivität für Bremsen haben.“
Doch genaue Erklärungen fehlen den Forschern immer noch. Tierarzt Burkhard Bauer, Experte für „Lästlinge und blutsaugende Insekten“ an der Freien Universität Berlin, warnt: „Das ist ein sehr komplexes Thema.“ Es gebe zwar die Beobachtung, dass Zebras weniger unter der gefürchteten Tsetsefliege leiden. Das aber auf ihr Fellmuster zurückzuführen, könnte ein Trugschluss sein. Womöglich wehrten sich die Zebras ganz einfach besser, etwa mit dem Zucken ihrer Haut.
Für die Reiter, die ihre Pferde in Zebras verwandeln, hat Fachmann Bauer eine ganz populärwissenschaftliche Botschaft: „Vielen Insekten ist das mit Sicherheit völlig wumpe.“ Schließlich sei Geruch „das überragende Lockmittel“ für die Parasiten. Aber wer sein Pferd in mühevoller Arbeit erst einmal bemalt habe, glaube womöglich auch eher an einen Erfolg. „Ein bekannter psychologischer Effekt“, sagt Bauer.