Laubheizung und kleinere Mägen: Winter-Tricks der Tiere
Bonn/München (dpa/tmn) - Sie bauen sich eine Heizung, verkleinern ihren Magen, sind hektisch auf Futtersuche oder verschlafen den Winter gleich ganz: Die Tiere im Wald haben unterschiedliche Taktiken, um möglichst gut durch die kalte Jahreszeit zu kommen.
Zu Beginn der kalten Jahreszeit entwickeln Tiere im Wald verschiedene Mechanismen, um der Kälte zu trotzen. Grob lassen sich diese Taktiken in vier Gruppen einteilen: die Vögel, die sich über den Winter lieber in wärmere Gefilde zurückziehen. Die Winterschläfer, die erst im Frühjahr wieder die Augen aufmachen. Die Tiere in Winterruhe, die zwar viel, aber nicht nur schlafen. Und die Tiere, deren Schicksal dem des Menschen am ähnlichsten ist: Sie müssen die Winterzeit einfach durchstehen.
Bei der letzten Kategorie haben die Allesfresser wie Wildschweine oder Füchse das beste Los gezogen. Für sie sei genug Futter vorhanden, sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdschutz-Verband in Bonn. Ihnen geht es sogar am besten, wenn es den anderen Tieren schlecht geht und diese sterben - ihre Kadaver werden von den Allesfressern vertilgt. Wildschweine fressen zur Not auch ihre eigenen Jungen, die schon ab Ende Februar auf die Welt kommen.
Diese Allesfresser profitieren im Übrigen auch als einzige davon, wenn Spaziergänger zur Fütterung der Wildtiere Essensreste in den Wald werfen. Da sie aber ohnehin genug zu fressen haben, wird mit den Resten keine Not gelindert. „Außerdem sind die gewürzten Speisen für die Tiere gar nicht empfehlenswert“, sagt James Brückner von der Akademie für Tierschutz in Neubiberg bei München.
Gefährdet sind im Winter die Spezialisten, also reine Pflanzenfresser wie Rehe und Hirsche. Auch ihnen wird mit Speiseresten nichts Gutes getan, denn ihr Verdauungstrakt ist äußerst sensibel. Sie können nach dem Fressen schwere Koliken kriegen und sogar daran sterben.
Für das Rotwild wird es vor allem ab Ende Januar eng, wenn es kaum noch Pflanzen und Blätter zum Knabbern findet. Kommt es dann noch einmal zu einem Kälteeinbruch oder zu reichlich Schneefall, ist ihr Leben in Gefahr. „Dann wird die 'Notzeit' ausgerufen und die Tiere werden von den Förstern oder Jägern zugefüttert“, erklärt Reinwald.
Vor allem ab Ende Januar brauchen diese Tiere deshalb viel Ruhe. Denn sie schalten im Winter in einen Energiesparmodus: Ihr Herz schlägt viel langsamer, ihr Verdauungstrakt wird kleiner, die Körpertemperatur sinkt. „Deshalb sollte man im Wald vor allem im Spätwinter nicht vom Weg abweichen“, sagt Reinwald. Denn die Tiere wissen, dass Menschen auf Wegen laufen und ihnen keine Gefahr droht. Kommt ein Mensch jedoch vom Weg ab, wird ihnen mulmig. Innerhalb weniger Sekunden müssen sie ihren Körper von Null auf Hundert schalten. „Das kostet sie wahnsinnig viel Energie“, sagt Eva Goris von der Deutschen Wildtierstiftung in Hamburg.
Ab und zu sehen Spaziergänger Hirsche oder Rehe, die in stoischer Ruhe dastehen und gucken. Auch wenn der Mensch sich nähert, laufen sie erst einmal nicht weg. „Das ist keine Zutraulichkeit, und man sollte auf keinen Fall zu den Tieren hingehen. Sie sind einfach in ihrem Energiesparmodus und würden erst im allerletzten Moment flüchten“, sagt Reinwald.
Im Wald sind im Schnee oder im Matsch häufig die Trittspuren der Tiere zu sehen, vor allem von Rotwild und von Wildschweinen. Ist ein Dachs auf dem Weg gelaufen, ist das leicht zu erkennen. Denn er „nagelt“, wie es in der Fachsprache heißt. Das bedeutet, dass die Abdrücke der Fußballen und der vorderen vier Nägel zu sehen sind.
Dachse haben ein besonders ausgeklügeltes System, um möglichst gut über den Winter zu kommen. „Sie bauen in ihrem Zuhause bereits im Herbst eine Bioheizung ein“, erzählt Goris. Sie besteht aus Pflanzen, die verrotten - dabei entsteht Wärme. Und diese kommt den Dachsjungen zugute, die schon Ende Februar zur Welt kommen.
Die Dachse gehören zu den Tieren, die Winterruhe halten. Das heißt, dass sie viel schlafen und ihren Stoffwechsel herunterfahren. Sie verlassen aber auch - wie ebenfalls die Eichhörnchen, Waschbären und Biber - ihren Bau, um Futter zu suchen. Die Eichhörnchen können dabei auf ihre Vorratskammern zurückgreifen. „Sie vergessen aber manchmal, wo sie überall ihre Vorräte verbuddelt haben“, sagt Brückner. Das kann den Winterschläfern, wie etwa dem Igel oder dem Murmeltier nicht passieren: Sie vertrauen ganz alleine auf ihre dicke Fettschicht, um durch den Winter zu kommen.